Jetzt also auch Fiat. Zuvor hatten schon Smart und Mini ihre ikonischen Autos auf Strom umgestellt. Die einen konsequenter, die anderen noch nicht mit der letzten Überzeugung: Während Smart den EQ Fortwo nur noch als Stromer im Sortiment hat, ist der Mini Electric erst eine Version neben verschiedenen Verbrennern. Fiat hat sich für den gleichen Weg wie Smart entschieden und verkauft den neuen 500 nur noch mit Elektroantrieb. Diese mutige Strategie ist nicht ohne Risiko, denn der seit 2007 gebaute Cinquecento ist Fiats absoluter Bestseller. Hierzulande setzte Fiat in den ersten sieben Monaten dieses Jahres 1628 Stück davon ab. Deutlich dahinter: der 500X mit 663 und der Panda mit 585 Einheiten. Wie wichtig der Stadtflitzer für die Marke ist, zeigen auch Aussagen von Charles Fuster, Product Marketing Manager der Fiat-500-Familie, der von einem Love Brand und von einer Ikone des Dolce Vita spricht. Schlägt das erste vollelektrische Auto der Marke am Markt nicht ein, dann bekommt der ohnehin schon angeschlagene Konzern Probleme.
Der 1957 erstmals gebaute und 2007 revitalisierte Fiat 500 läutet eine neue Epoche ein. Mit italienischer Grandezza schafft er den Sprung in die nächste Ära der Mobilität
Ein komplett neues Auto
Fuster ist davon überzeugt, dass der Markt für Elektroautos nächstens explodieren wird. Der bei Fiat eingeläutete Umbruch kommt für ihn genau zum richtigen Zeitpunkt. Der Fiat 500e, den es vorerst als Sondermodell La Prima als Hatchback und als Cabrio gibt, ist im Vergleich zum aktuellen Modell in alle Richtungen gewachsen, ohne aber seine Identität zu verlieren. Weil der E-Motor nicht gekühlt werden muss, konnten die Designer auf den Kühler verzichten und so die Front ähnlich wie beim Ur-500 gestalten, der zwischen 1957 und 1977 vom Band lief.
Charakteristisch sind auch die zweigeteilten Frontscheinwerfer und das neue Markenemblem. «Es ist ein komplett neues Auto auf einer speziell auf die Elektromobilität ausgelegten Plattform », sagt Paolo Loiotile, Head of Product Marketing der Fiat-500-Familie. Trotzdem sei der Wiedererkennungswert maximal. Daneben hat der Cinquecento E neue Features wie LED Licht, Keyless Go und kabelloses Laden von Smartphones, fährt teilautonom und ist mit der Umwelt vernetzt. «Alles in allem sind wir bereit für das nächste Jahrzehnt», zeigt sich Loiotile zuversichtlich.
Fiat ist mit dem 500e ein toller Wurf gelungen, wie sich bei ersten Probefahrten in Turin gezeigt hat. Das Fahrzeug liegt dank den grösseren Abmessungen besser auf der Strasse als der Vorgänger und verfügt über einen tiefen Schwerpunkt, weil die von Samsung gelieferten Batterien unter dem Passagierraum angebracht sind. Das führt zu einem guten Handling und macht das Auto agil – in 3,1 Sekunden spurtet der E-Cinquecento aus dem Stand auf Tempo 50. Und da Fiat eine 42 kWh grosse Batterie verbaut, kommt man mit dem 500e maximal 320 Kilometer weit. Im reinen Stadtbetrieb sollen es sogar 400 Kilometer sein. Das sind Werte, mit denen sich der kleine Fiat deutlich von der elektrischen Konkurrenz abhebt. Ein Pluspunkt ist auch, dass die Batterie mit einem Combined Charging System (CSS) mit 2,3 (Haushaltssteckdose) bis 85 kW (Fast Charging) geladen werden kann. An einer Schnellladestation ist nach fünf Minuten wieder so viel Strom an Bord, dass man 50 Kilometer weit kommt. Um die Batterie zu 80 Prozent aufzuladen, dauert es nur eine gute halbe Stunde. Eine Wallbox für zu Hause wird mitgeliefert.
Einen Schalthebel sucht man vergeblich: Um zu fahren, drückt man einfach den passenden Knopf: Normal, Range und Sherpa. In der Stufe Normal fährt das Auto kaum anders als ein Verbrenner. Im Range-Modus hingegen kann man auf das Bremspedal fast ganz verzichten, weil sofort verzögert und Energie rekuperiert wird, sobald man den Fuss vom Gas nimmt.
Mit ein wenig Übung kann man mit dem Gaspedal beschleunigen und bremsen. Der Sherpa-Modus ist für Notfälle bei der Reichweite gedacht. Dann werden Klimaanlage und Sitzheizung deaktiviert, und das Auto riegelt bei 80 Kilometer pro Stunde ab. Wenn die Umstellung auf Elektroautos flott geht, ist der 500e ein überzeugendes Auto für den Nahverkehr. Dauert es länger, bleibt der 500 mit Verbrennungsmotoren und Hybridantrieb länger im Angebot. (pd) Michael Baumann
Fiat 500e La Prima
Masse: Länge 3,63 Meter, Breite 1,68 Meter, Höhe 1,53 Meter
Radstand: 2,32 Meter
Kofferraumvolumen: 185 Liter
Gewicht: 1400 Kilogramm
Batteriekapazität: 42 kWh
Leistung: total 87 kW / 118 PS
Drehmoment: 220 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 150 km/h
Beschleunigung: 0–100 in 9 Sekunden
Max. Reichweite: 320 Kilometer
Preis: ab 36 990 Franken
Markteinführung: bestellbar ab sofort
Grössere Beinfreiheit
Bei der Entwicklung des 500e hat Fiat auf Design-Experimente verzichtet. So ist das modernste Auto des Konzerns zumindest optisch ein alter Bekannter. Chefdesigner Klaus Busse hat sich vom ersten Cinquecento von 1957 und von der Zweitauflage von 2007 inspirieren lassen, aber ein komplett neues Auto erschaffen: «Es ist wichtig gewesen, die traditionelle Silhouette und damit den Wiedererkennungswert beizubehalten.» Im Innern boten sich Busse durch den Wegfall des Getriebetunnels und den Platzzuwachs ganz neue Gestaltungsmöglichkeiten. Das ist deutlich spürbar: Bein- und Kopffreiheit sind im Vergleich zum Vorgänger deutlich grosszügiger. Auf den vorderen Plätzen sitzt man bequem, und auch im Fond finden zwei Personen problemlos Platz. Das schlicht designte Cockpit wirkt modern, übersichtlich und lässt keine Fragen offen. (mbm)