Interview: Rahel Balmer Andreas Gerber, Sie haben unmittelbar an vorderster Front für die Umsetzung der Covid-19-Überbrückungskredite mitgewirkt – was ist Ihnen gelungen? Die Credit Suisse war von Anfang an mitfederführend bei der Ausgestaltung des Unterstützungspakets. Das Programm auf die Beine zu stellen war die richtige Entscheidung im richtigen Moment. So konnte sichergestellt werden, dass die Schweizer Wirtschaft rasch und unkompliziert mit Liquidität versorgt werden konnte. Rund ein Fünftel aller Unternehmen in der Schweiz hat bisher von einem Überbrückungskredit Gebrauch gemacht. Es ist ebenfalls ein starkes Zeichen und Bekenntnis für das Unternehmertum in unserem Land. Der pragmatische Lösungsansatz hat der Schweiz auch international viel Anerkennung gebracht.Wie erlebten Sie diese Zeit auf persönlicher Ebene?Es war eine intensive Zeit. Wir alle waren noch nie mit so einer Situation konfrontiert gewesen, entsprechend gross war die Herausforderung. Dazu kam der enorme Zeitdruck: Wir wussten, dass es für zahlreiche Unternehmen überlebenswichtig war, möglichst schnell Liquidität zur Verfügung zu haben. Insbesondere in den ersten Wochen arbeiteten wir rund um die Uhr. Ich bin stolz auf das, was wir erreicht haben. Zudem freue ich mich sehr darüber, dass die Zusammenarbeit mit den involvierten Parteien so unkompliziert und erfolgreich war.Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Was denken Sie wird sich in gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Sicht verändern?Ein Blick in die Kristallkugel ist immer schwierig. Die Krise wird in der Schweizer Wirtschaft Spuren hinterlassen – wie stark und nachhaltig diese ausfallen werden, kann ich momentan noch nicht abschätzen. Klar ist: Einiges in Wirtschaft und Gesellschaft wird definitiv nicht mehr so sein wie zuvor. Derzeit entwickelt sich ein neues Bewusstsein für Abhängigkeiten in unserer Wirtschaft und Gesellschaft, inklusive der damit verbundenen Risiken. Unternehmen dürften sich zum Beispiel fragen, ob es vielleicht nicht doch Sinn macht, gewisse Teile der Wertschöpfungskette wieder stärker unter die eigene Kontrolle und auch geografisch näher zur Schweiz zu bringen. Das muss aber nicht bedeuten, dass der langfristige Trend hin zu einer globalisierten Welt aufgehalten wird. In diesem Zusammenhang werden sich auch neue Chancen bieten und neue Geschäftsmodelle entstehen.
Andreas Gerber, Präsident des Swiss Venture Club, blickt auf das erste Halbjahr zurück und wagt eine Prognose für die Zukunft.
Wie rasant sich die Welt innert kurzer Zeit wandeln kann, haben uns die letzten Monate nochmals eindrücklich gezeigt. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein?
Ich habe grossen Respekt vor den Unternehmerinnen und Unternehmern in diesem Land. Auch in der jetzigen Situation bin ich wieder beeindruckt von dem professionellen und agilen Umgang mit der Krise. Die Fähigkeit, sich rasch der neuen Ausgangslage anzupassen, sagt viel über die Stärke und Solidität unserer Wirtschaft aus. Die kommenden Quartale werden für die Mehrheit der Firmen anspruchsvoll sein und Agilität abverlangen. Vielleicht braucht es auch noch weitere Hilfsinstrumente, die privates Kapital mobilisieren, um Investitionen zu finanzieren. Sofern sich die Situation weltweit beruhigt, können wir für das nächste Jahr in einigen Bereichen aber auch von einem Nachholeffekt mit überdurchschnittlichem Wirtschaftswachstum ausgehen.
Ist die festliche Verleihung eines Unternehmerpreises mit 1000 oder mehr Gästen, die sich alle am selben Ort treffen, in einer Welt der zunehmenden Digitalisierung noch zeitgemäss?
Es ist tatsächlich so, dass wir wohl gerade einen weiteren Schlüsselmoment in der Geschichte der Digitalisierung erleben. Für einmal ist dieser aber nicht primär durch technologische Neuerungen getrieben, sondern durch den Faktor Mensch. Trotzdem bin ich überzeugt, dass es auch in Zeiten der Digitalisierung den persönlichen Austausch braucht – denn auch dies hat uns die Corona- Krise eindrücklich vor Augen geführt: Wir schätzen persönliche Treffen, wenn momentan auch mit der nötigen Distanz. Natürlich müssen wir auch unsere Eventformate den neuen Bedürfnissen beziehungsweise den Schutzkonzepten anpassen. Deshalb haben wir den Prix SVC erstmals in hybrider Form durchgeführt: Ein Teil der Gäste war vor Ort, während wir die Verleihung via Livestream mit allen Interessierten teilen durften.
Was wird in der aktuell turbulenten Zeit der Platz des SVC, als grösstes Netzwerk für Klein- und Mittelunternehmen (KMU) in der Schweiz, sein? Die jungen Generationen sind dem klassischen Vereins- und Verbandsleben gegenüber doch eher skeptisch eingestellt?
Das ist in der Tat so. Auf Vereinsebene sind wir an einigen Neuerungen, um diesem veränderten Umfeld gerecht zu werden. Zudem sollen auf speziellen Plattformen verstärkt auch Jungunternehmen von erfahreneren Unternehmerinnen und Unternehmern profitieren können. Denn Innovationen entstehen durch die Kombination von bereits vorhandenem Wissen, Querdenken und dem Blick über den Tellerrand hinaus. Wir gehen deshalb gezielt Partnerschaften mit anderen Organisationen ein, die bereits etabliert sind in diesem Segment. Hier kann ich als Beispiel die Kooperationen mit dem NextGen-Summercamp vom SEF oder mit dem Team des Top-100-Swiss- Startup- Awards nennen.
Gibt es Elemente des Erfolgs, die Ihnen bei den Preisträgern immer wieder begegnen?
Ich bin immer wieder aufs Neue fasziniert von der Innovationskraft, gepaart mit Präzision, Verlässlichkeit und Durchhaltevermögen unserer Finalisten. Es ist beeindruckend zu sehen, mit wie viel Herzblut die Unternehmerinnen und Unternehmer Tag für Tag ans Werk gehen, ihre Mitarbeitenden schätzen und zu ihnen schauen. Ich bin schlicht Fan der hiesigen Wirtschaft. Es beeindruckt mich, wie Unternehmerinnen und Unternehmer anhaltend Mut beweisen, Bestehendes hinterfragen und die Ambition haben, das sehr Gute noch sehr viel besser zu machen.
Und was gefällt Ihnen besonders am Prix SVC Ostschweiz?
Es gelingt der Expertenjury des Prix SVC Ostschweiz jedes Mal, Hidden Champions und echte Perlen unter den Ostschweizer KMU zu nominieren. Und es freut mich sehr, dass wir diese Hidden Champions, die zum Teil Weltmarktführer in ihren Bereichen sind, mit der Prix SVC Verleihung einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machen und feiern zu können. Und in diesem Jahr gilt mehr denn je: Wir feiern das Schweizer Unternehmertum – jetzt erst recht!
Swiss Venture Club – ein Kurzporträt
Der KMU-Verein Swiss Venture Club (SVC) stellt sich seit bald 20 Jahren in den Dienst kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) und ist heute mit über 3200 Mitgliedern aus allen Branchen und Regionen eines der grössten und wichtigsten Netzwerke für Unternehmerinnen und Unternehmer der Schweiz. Dafür bringt er innovative Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Medien sowie Kultur zusammen und ermöglicht ihnen das Knüpfen wertvoller Kontakte. Darüber hinaus schafft er mit der Verleihung des regionalen Unternehmerpreises Prix SVC öffentliche Aufmerksamkeit für ihre Leistungen. 365 KMU wurden bereits ausgezeichnet. Auf diese Art und Weise fördert der Prix SVC das Unternehmertum und trägt so seinen Teil zu einer erfolgreichen Schweiz bei.
www.svc.swiss
Andreas Gerber
Andreas Gerber (52) trat 1989 in die Credit Suisse ein, 2009 wurde er zum Managing Director befördert, und seit April 2015 leitet er das KMU-Geschäft Schweiz. Sein beruflicher Werdegang führte ihn von der Betreuung börsenkotierter Grosskunden über die Leitung des Firmenkundengeschäfts im Marktgebiet Bern zum Leiter KMU Region Mittelland. Im September 2010 wechselte er nach Zürich und führte dort während vier Jahren das Firmenkundengeschäft der Region Zürich und Schaffhausen.
Andreas Gerber ist studierter Betriebsökonom FH und absolvierte das Executive Program am Swiss Finance Institute (SFI) in Zürich sowie an der Tuck School of Business at Dartmouth in Hanover, USA. Als bisheriger Vizepräsident übernahm er das Präsidium des Swiss Venture Club (SVC) per September 2017.