Interview: Roger Tinner Christoph Zeller, die Wirtschaft in der Ostschweiz schien trotz zeitweise skeptischer Prognosen bis zum Lockdown zu «brummen». Sehen Sie das auch so? Ja, die Ostschweizer Wirtschaft ist grundsätzlich sehr robust aufgestellt. Der Grossteil der Ostschweizer Klein- und Mittelunternehmen (KMU) geht die zahlreichen Herausforderungen – und die Frankenstärke ist nicht die einzige – aktiv an. Es gibt jedoch Branchen, die mehr zu kämpfen haben als andere. Oft sind auch eine stärkere Automation oder Verlagerungen der Produktion ins Ausland nötig, um wettbewerbsfähig zu bleiben und zu überleben. Für nachhaltigen Erfolg sind jedoch vor allem Effizienz und Innovationsfähigkeit der Unternehmen wichtig.In den vergangenen Monaten waren Sie sicherlich in sehr engem Kontakt mit den Unternehmen, auch wegen der Covid-Kredite. Wie beurteilen Sie die regionale Situation – ist mit vielen Konkursen und Entlassungen zu rechnen?Als Bank für Unternehmerinnen und Unternehmer ist es der Credit Suisse ein grosses Anliegen, die Schweizer KMU rasch und unkompliziert zu unterstützen. Deshalb haben wir uns frühzeitig für eine Soforthilfe engagiert. Firmen aus der Ostschweiz waren bei Anträgen für Covid-Kredite eher untervertreten. Das ist sicherlich ein Zeichen für die Robustheit der Ostschweizer Wirtschaft, wenn auch die Branchen sehr unterschiedlich betroffen sind. Entlassungen und Konkurse halten sich noch in Grenzen, für ein Fazit ist es jedoch deutlich zu früh: Die Auswirkungen von Covid werden wohl erst Ende 2020 und 2021 zu spüren sein.Was sind aus Ihrer Sicht die besten Strategien, nach dem Lockdown möglichst bald wieder auf die vorher so klare Erfolgsstrasse zurückzukehren?Zuerst gilt es die Liquidität sicherzustellen, um anschliessend zur betrieblichen «Normalität» zurückzukehren – wobei das natürlich in jeder Branche und in jedem Betrieb wieder anders aussieht. Für sehr wichtig halte ich es, dass ein zweiter Lockdown verhindert wird. Er würde die Wirtschaft wohl nachhaltig schädigen und die wirtschaftliche Erholung sehr erschweren.
Ein Gespräch zur Ostschweizer Wirtschaft mit Christoph Zeller, OK-Präsident des Prix SVC Ostschweiz.
Nun aber zurück zum Kern des Prix SVC. Sie haben alle sechs Finalisten auf einer Juryreise besucht. Wie geht es diesen Firmen konkret, was sind ihre Herausforderungen und wie lösen sie diese Aufgaben?
Generell sind alle gefordert, weil sich die Entwicklungen überall beschleunigen und die Dynamik in Wirtschaft, Gesellschaft und insbesondere in der Technologie seit längerem stetig zunimmt. Die KMU müssen rasch und gezielt agieren und reagieren – und zwar im individuell richtigen Ausmass. Natürlich sind die Finalisten in ihren jeweiligen Branchen mit ganz unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert. Persönlich beeindruckt mich bei allen, mit wie viel Leidenschaft und konsequenter Haltung die Verantwortlichen und ihre Mitarbeitenden die Firmen vorantreiben. Unsere Finalisten haben einiges gemeinsam: Sie gehen bewusst Risiken ein, haben eine klare Strategie und Geschäftsidee und verfolgen diese konsequent. Auf ihrem Gebiet sind sie oft technologisch führend – mit einzigartigen Produkten oder Verfahren. Hinzu kommt, dass sie regional verankert und vorbildliche Arbeitgeber und Ausbildner sind.
Fünf von sechs Finalisten sind am Rheinlauf zwischen Chur und Balgach «aufgereiht ». Da fühlt man sich fast an die Textilindustrie von einst erinnert, die sich früher entlang von Flüssen z. B. im Glarnerland gruppierte. Wie interpretieren Sie das?
Die Jury war am Ende selbst überrascht und erstaunt über diesen regionalen Schwerpunkt. So zufällig das zustande kam – 2018 war zum Beispiel kein einziges Unternehmen aus dieser Region im Finale –, so deutlich ist es ein Signal, dass bei uns eben weder Region noch Branche, sondern einzig und allein die Qualität über die Nominierung entscheidet. Die Jurymitglieder selbst kommen aus allen Regionen der Ostschweiz, der Standort der ausgewählten Firmen ist jedoch im ganzen Prozess nie ein Kriterium.
Was sind die wichtigsten Kriterien, mit denen Sie die Qualität der Unternehmen messen?
Hier gibt es eine ganze Liste von Kriterien, die beurteilt werden: Die Unique Value Proposition steht am Anfang, also die Antwort auf die Frage: Welchen Nutzen stiftet das Unternehmen für seine verschiedenen Anspruchsgruppen? Dazu kommen die Bereiche «Innovatives Geschäftsmodell/ Technologie», der konkrete Leistungsausweis, der kommerzielle Erfolg, die Anzahl geschaffener Arbeitsplätze, der Beitrag an die Region Ostschweiz, die Attraktivität der Marktposition, die Nachhaltigkeit, die Klarheit der Strategie, Qualität und Stärke des Managements und der Mitarbeitenden, Erscheinungsbild und Gesamteindruck sowie Kultur des Unternehmens.
Sie zeichnen Unternehmen aus. Dennoch stehen an der Preisverleihung auch Menschen im Mittelpunkt, die an der Spitze dieser Firmen wirken. Verändert sich das Bild der typischen Unternehmerin, des typischen Unternehmers?
Trotz allem Wandel und Umbruch hat sich das Bild der Unternehmerin und des Unternehmers in den letzten Jahren in meiner Wahrnehmung nicht stark verändert. Im Mittelpunkt steht der «Unternehmergeist» als Wille, dauerhaft Werte schaffen. Die Unternehmerpersönlichkeiten leisten unglaublich viel, sind flexibel und innovativ, führen überzeugend, sind fähig, ihre Mitarbeitenden für die gemeinsame Sache zu begeistern und halten durch, auch in schwierigen Zeiten. Zudem engagieren sie sich häufig über ihr eigentliches Geschäft hinaus für ihre Mitarbeitenden und gesellschaftlich.
Der Prix SVC Ostschweiz zeichnet Unternehmen aus, um die Wirtschaft in dieser Region sichtbar zu machen und zu stärken. Wie kann das gelingen?
Die Verleihung des «Prix SVC Ostschweiz» gehört zu den bedeutenden Wirtschaftstreffen der Ostschweiz mit einer breiten positiven öffentlichen Ausstrahlung. Unsere Finalisten und Preisträger stehen mit ihren herausragenden Leistungen für eine starke Wirtschaftsregion. Ihr Beispiel kann Gründerinnen und Gründer und andere KMU sicherlich motivieren, selbst nach Spitzenleistungen zu streben und sich im Wettbewerb zu bewähren. Und unsere Preisträger werden mit ihren Mitarbeitenden zu eigentlichen «Aushängeschildern » unserer spannenden, breit diversifizierten Unternehmenslandschaft. Das macht den Prix SVC für die Region wichtig.
Die Ostschweizer KMU, von denen viele stark exportorientiert sind, haben in den letzten Jahren offensichtlich ihre «Hausaufgaben» gemacht. Sehen Sie das auch so?
Ja, und ich freue mich sehr, wenn in ökonomisch hoffentlich bald wieder besseren Zeiten möglichst viele KMU wieder einen entsprechenden Lohn für ihren Mut zum Unternehmertum und ihre Anpassungsfähigkeit erhalten. Und vergessen wir nicht, dass sie damit zum Wohlstand der ganzen Region und damit von uns allen beitragen!