Die Corona-Krise trifft die Schweizer Wirtschaft hart. Insbesondere Selbstständigerwerbende sind in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. Kulturschaffende, Coiffeure oder Restaurantbesitzer haben mit finanziellen Einbussen zu kämpfen, oft bricht das Einkommen ganz weg. In solchen Fällen besteht ein Anspruch auf Entschädigung. Zuständig für die Auszahlung sind die Ausgleichskassen. Diese haben jetzt eine Herkulesaufgabe zu bewältigen, denn die Zahl der Anmeldungen ist gross und Vorlaufzeit gab es praktisch keine. «Wir haben wie die Bevölkerung am Freitag, 20. März, von den Massnahmen des Bundes erfahren», sagt Gregor Baumgartner, Leiter Ausgleichskasse bei der SVA St. Gallen. «Bereits am folgenden Montag mussten wir für Anmeldungen bereit sein.»
Der Ansturm auf die Corona-Erwerbsersatzentschädigungen führt bei der SVA St. Gallen zu viel zusätzlicher Arbeit auf allen Ebenen.
Neue IT-Lösung in kurzer Zeit
Damit der Ansturm bewältigt werden kann, hat die SVA St. Gallen eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe eingesetzt. Diese koordiniert und priorisiert die Massnahmen. «Zuerst musste sichergestellt werden, dass die bezugsberechtigten Personen Informationen über die Erwerbsersatzentschädigung erhalten. Dazu brauchten wir schnellstmöglich eine Hotline, eine aktualisierte Website sowie eine Anmeldemöglichkeit», sagt Baumgartner. Das habe man in Zusammenarbeit mit der Informationsstelle der Ausgleichskassen und dem Bund bereits übers erste Wochenende bereitstellen können. Für die Verarbeitung der Anmeldungen und Auszahlungen musste dann eine Softwarelösung her. Dafür zuständig ist die Informatikgesellschaft für Sozialversicherungen (IGS), welche IT-Programme für Ausgleichskassen und Sozialversicherungsanstalten erstellt. «Normalerweise dauert die Implementierung neuer Informatiklösungen dieser Grössenordnung ziemlich lange. Es muss viel getestet und im Anschluss verbessert werden. Diese Zeit hatten wir natürlich nicht», sagt Baumgartner. Deshalb habe man auf bereits bestehende Software zurückgegriffen und diese etappenweise erweitert. Schritt für Schritt wurden die Datenerfassung, -verarbeitung und -prüfung sowie der Auszahlungsmechanismus hinzugefügt. «Durch die Etappierung konnten wir Teile des Systems testen und bereitstellen, während an nachgelagerten Teilen des Systems noch entwickelt wurde.» Trotz der etappenweisen Einführung bedeutete dies für die Mitarbeitenden bei der IGS viel zusätzliche Arbeit. «Es wurde während Wochen rund um die Uhr gearbeitet.»
Überstunden in allen Abteilungen
Viel zusätzliche Arbeit gibt es auch in allen Abteilungen der SVA. Insbesondere die Kundenanfragen über die Hotline und die Prüfung der Anträge beanspruchen sehr viele Ressourcen. Zudem müsse natürlich der ordentliche Betrieb weiterlaufen. Damit der Mehraufwand bewältigt werden kann, hat die SVA Teilzeitpensen erhöht, temporäre Arbeitsverträge verlängert und die Arbeitszeiten ausgedehnt. Teilweise wurden Mitarbeitende von weniger stark betroffenen Abteilungen abgezogen, um bei der Bewältigung der vielen Anmeldungen zu helfen. «Momentan wird bei uns sechs Tage die Woche gearbeitet. Überstunden in allen Abteilungen gehören zum Alltag.» Die Kosten dieser Zusatzaufwände können zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beziffert werden.
Sicher ist aber, dass Überstunden auch weiterhin nötig sein werden. Seit Ende letzter Woche haben nämlich nicht nur Selbstständigerwerbende, die den Betrieb amtlich angeordnet schliessen mussten, Anspruch auf Entschädigung, sondern auch indirekt betroffene Selbstständigerwerbende. Das führt zu noch mehr Anmeldungen. Der Lohn für die Arbeit: Seit rund eineinhalb Wochen können die Entschädigungen ausgezahlt werden. «Unser Monitoring zeigt, dass die Auszahlungen bei unseren Kunden ankommen und unsere Systeme im Grossen und Ganzen gut funktionieren. Bis jetzt sind wir zufrieden», sagt Baumgartner. Patrick Baumann