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Der Balkon kann ein Naturparadies sein

Der Balkon kann ein Naturparadies sein

Der Balkon bietet auch Städtern die Gelegenheit, sich mit Pflanzen zu beschäftigen. Bild: Fotolia

Gerade in Zeiten von Corona bekommt der Balkon als Lebensraum für die Menschen weitere Bedeutung. Die Förderung von Biodiversität auch auf kleinen Flächen «ist einfacher, als man glaubt», sagt Pro Natura-Thurgau Geschäftsführer Markus Bürgisser. Es zähle jeder Quadratmeter Natur. Grundsätzlich sei alles wertvoll, was einheimisch sei. «Das ist immer noch die grosse Knacknuss, zu oft noch werden fremde Gewächse aufgrund der Optik angepflanzt. » Pro Natura Schweiz habe nun einen Wettbewerb unter dem Titel «grosse und kleine Paradiese» gestartet. Wertvolle Informationen für eine naturgerechte Bepflanzung des Balkons sind auf der Homepage www.pronatura.ch aufgeschaltet.»Mindestens die Hälfte der Pflanzen auf dem Balkon müssten einheimische Wildpflanzen sein. Tiere und Pflanzen hätten sich über Jahrhunderte gemeinsam entwickelt und ständen in enger Beziehung zueinander und ihrer Umgebung. «Sie gehören zusammen wie Schlüssel und Schloss. Heimische Wildpflanzen werden von wesentlich mehr Tierarten genutzt als exotische Pflanzen oder Zuchtformen. » Markus Bürgisser spricht von «einem wichtigen Lebensraum für Fluginsekten».

Mehrjährige, einheimische Pflanzen sind zunehmend gefragt.

Ein Balkon lasse sich beispielsweise schmetterlingsfreundlich gestalten. Geranien seien durch einheimische, nektarreiche Arten zu ersetzen. «Schmetterlinge mögen etwa einheimische Nelken oder Gewürzkräuter wie Arznei-Thymian oder Schnittlauch.» Auch die duftenden Blüten der Küchenkräuter seien eine willkommene Nektarquelle.

Ein ökologisches Gleichgewicht erreichen

Er rät auch dringend vom Einsatz von Pestiziden oder Kunstdünger ab. Durch gesunde und standortgerecht ausgewählte Pflanzen könne Pflanzenkrankheiten vorgebeugt und Umweltbelastungen vermieden werden. «Auf einem naturnah bepflanzten Balkon herrscht ein ökologisches Gleichgewicht zwischen Schädlingen und Nützlingen.»
   

«Die Thurgauer Gärtner stehen voll und ganz hinter der Förderung der Biodiversität, auch auf kleinen Flächen», erklärt Viktor Gschwend, Präsident von Jardin Suisse, Sektion Thurgau. Nach wie vor sei die Nachfrage nach Gemüse und Küchenkräutern für den Balkon sehr hoch.

«Aktuell spüren die Gärtner das Bedürfnis der Menschen, sich auf dem Balkon aufzuhalten, anzupflanzen, Kräuter, Gemüse, Sträucher und Blumen zu geniessen. «Ich tue mir jetzt etwas Gutes an», sei eine häufig gehörte Aussage. Auch wenn das Thema «Biodiversität» aus verständlichen Gründen etwas in den Hintergrund getreten sei, «die Bevölkerung ist nach wie vor sensibilisiert, will beraten werden und von der Notwendigkeit überzeugt». So gebe es eine deutliche Tendenz zu mehrjährigen, einheimischen Pflanzen. Der Grund: «Sie machen über längere Zeit Freude.» Viktor Gschwend ist überzeugt davon, dass der Balkon als naturnaher Lebensraum weiter an Bedeutung gewinnen wird. «Wir Gärtner haben nach dieser schwierigen Zeit, mit der Aufforderung, zu Hause zu bleiben, gespürt, wie sehr sich die Bevölkerung an der Natur erfreut.» Kurt Peter

Städtischer Raum für Pflanzen

Balkon Wandmalereien bezeugen, dass schon an Bauten der Römischen Kaiserzeit überdachte Balkone üblich waren. Mit der Ausdehnung des Osmanischen Reiches gelangten diese Balkone auch in die Küstenländer des Mittelmeeres. Vor allem in Italien schmückten ab dem 16. Jahrhundert geradlinige Balkone die Adelspaläste.

Im Wohnungsbau wurden bis Ende der 1930er-Jahre Balkone als sogenannte Schmuckbalkone an den strassenseitigen Gebäudefronten und als Wirtschaftsbalkone an den rückseitigen Hoffassaden erbaut. Wirtschaftsbalkone waren meist den Küchen vorgelagert und für Hausarbeiten im Freien beziehungsweise zum Trocknen von Wäsche vorgesehen. Die Masse für die Flächenbemessung eines Balkons lieferte der Stuhl. Deshalb hatten Balkone immer eine Mindesttiefe von einem Meter. In der bäuerlichen Architektur dienten Balkone weniger der Erholung, als vielmehr der trockenen Verwahrung von Gütern.

Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg brachte auch eine Veränderung in der Auffassung zu Wohnqualität mit sich. Dazu wurden auch grössere Balkone an den Wohnungen errichtet, nach Möglichkeit an der Südseite eines Gebäudes mit einer Sonnenausrichtung als Aufenthaltsplatz im Freien.

Erst ab den 1960er-Jahren waren Balkone aber ein fester Bestandteil von Wohngebäuden und sie waren auch an Büro- und Wirtschaftsgebäuden immer häufiger vertreten. Heute steht der blühende Balkon als Ort der Geselligkeit, der Romantik und der Erholung hoch im Kurs. Er ist mangels anderer Grünflächen für viele Städter eine gute Gelegenheit, sich ausgiebig mit Pflanzen zu beschäftigen. (kp)