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Reform der Ergänzungsleistungen: Rückerstattungspflicht im Erbfall ab 1. Januar 2021

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Reform der Ergänzungsleistungen: Rückerstattungspflicht im Erbfall ab 1. Januar 2021

Erben müssen Ergänzungsleistungen unter Umständen zurückerstatten, falls der Nachlass des Bezügers/der Bezügerin einen gewissen Betrag übersteigt. Bild: PD

Die vom Parlament im Frühjahr 2019 verabschiedete Reform der Ergänzungsleistungen (EL) wird auf den 1. Januar 2021 in Kraft treten. Eine weitreichende Auswirkung bringt die neue Bestimmung von Art. 16a des Bundesgesetzes über die Ergänzungsleistungen (ELG) mit sich, wonach rechtmässig bezogene Leistungen nach dem Tod der Bezügerin oder des Bezügers aus dem Nachlass zurückzuerstatten sind, sofern sich dessen Wert gesamthaft auf mehr als 40 000 Franken beläuft.  Der Sonderfall der selbstbewohnten Liegenschaft  Die Voraussetzungen, welche einen Anspruch auf EL begründen, sind im Gesetz definiert. Unter anderem haben alleinstehende Personen nur noch Anspruch auf EL, wenn ihr Reinvermögen weniger als 100 000 Franken bzw. bei Ehepaaren weniger als 200 000 Franken beträgt. Liegenschaften, die von der Bezügerin oder dem Bezüger bewohnt werden und an welchen sie Eigentum haben, sind nicht Bestandteil des Reinvermögens (sogenannte selbstbewohnte Liegenschaften). Bei der Berechnung des tatsächlichen Anspruchs auf EL bleibt ein Teil des Vermögens – der Freibetrag – unberücksichtigt.

    

Die Rückerstattungspflicht ab 1. Januar 2021

Mit den neuen gesetzlichen Bestimmungen wird nun die Rückerstattungspflicht für Erben eingeführt: Nach dem Tod einer EL-Bezügerin oder eines EL-Bezügers müssen die Erben die in den letzten zehn Jahren bezogenen EL zurückerstatten. Allerdings ist die Rückerstattung nur auf dem Nachlass geschuldet, der den Betrag von 40 000 Franken übersteigt. Bei Ehepaaren entsteht die Rückerstattungspflicht der Erben erst beim Tod des überlebenden Ehegatten.

Damit der Rückerstattungspflicht von Art. 16a ELG nachgekommen werden kann, könnten sich im Erbfall die Erben unter Umständen gezwungen sehen, die Liegenschaft zu veräussern. 

Ein Beispiel:

Frau Müller, verwitwet, ist EL-Bezügerin und bewohnt nach wie vor die eigene Liegenschaft. In den vergangenen zehn Jahren hat Frau Müller EL im Umfang von 100 000 Franken erhalten. Nach ihrem Ableben gelangen sämtliche Aktiven und Passiven der Verstorbenen in den Nachlass. Nebst liquiden Mitteln von 10 000 Franken wird der Verkehrswert der Liegenschaft auf 700 000 Franken festgelegt, abzüglich der darauf lastenden Hypothek von 550 000 Franken (Nettovermögen somit total 160 000 Franken).

Da der gesamte Nachlass der Verstorbenen den Wert von 40 000 Franken übersteigt, hat die alleinerbende Tochter von Frau Müller somit die zu Lebzeiten bezogenen EL von 100 000 Franken zurückzuerstatten. Die aus dem Nachlass erhaltenen liquiden Mittel reichen dafür nicht aus, der Restbetrag von 90 000 Franken ist durch die Alleinerbin aus ihrem Vermögen oder anderen Quellen zu erbringen. Sind die finanziellen Mittel dafür nicht ausreichend, sieht sich die Alleinerbin, um der Rückerstattungspflicht nachkommen zu können, wohl gezwungen, die Liegenschaft zu verkaufen. 

Schenkung keine Alternative

Auch eine Schenkung der Liegenschaft zu Lebzeiten stellt keine Alternative dar. Denn: Bei der EL-Berechnung wird auch das Vermögen angerechnet, auf das eine Person freiwillig verzichtet. Als freiwilliger Verzicht gelten Ausgaben von mehr als zehn Prozent des Vermögens pro Jahr. Beträgt das Vermögen weniger als 100 000 Franken, gelten sogar bereits Beträge ab 10 000 Franken pro Jahr als freiwilliger Vermögensverzicht. Unter den Vermögensverzicht fallen auch Schenkungen, zum Beispiel an die Kinder. Bei einer Schenkung zu Lebzeiten wird somit unter Umständen das Recht auf EL vollständig verwirkt.

Berücksichtigung im Nachlassinventa

Der Anspruch auf Rückerstattung der EL besteht grundsätzlich gegenüber dem Nachlass. Folglich ist im Erbfall einer allfälligen Rückerstattungspflicht besonderes Augenmerk zu schenken. Namentlich diejenigen Personen, die mit dem Nachlass beziehungsweise der Erbteilung beauftragt sind (Willensvollstrecker, Erbvertreter), haben vor der Erbteilung ein entsprechendes Passivum im Nachlassinventar aufzuführen. Eine problematische Situation könnte nämlich dann eintreten, wenn die Erbteilung bereits durchgeführt wurde und erst im Nachgang die Rückzahlung der EL geltend gemacht wird.

Fazit

Mit der Reform der EL wird erstmalig eine rechtmässig bezogene Sozialversicherungsleistung rückerstattungspflichtig. Ein Haus oder eine Eigentumswohnung an die Nachkommen weiterzugeben, wird aufgrund der Rückerstattungspflicht vor allem für den Mittelstand wohl nachweislich erschwert.

Die Änderungen, welche mit der EL-Reform ab dem 1. Januar 2021 in Kraft treten, sind bei der individuellen Finanz- und Nachlassplanung in Betracht zu ziehen.

Autoren

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Fabian Schläpfer
dipl. Wirtschaftsprüfer , Mandatsleiter die Treuhand-Experten ag Herisau, 9101 Herisau

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Pascal Schneider
dipl. Treuhandexperte, Partner die Treuhand-Experten ag Herisau, 9101 Herisau