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Erst trinken, dann sitzen

Erst trinken, dann sitzen

45-PET-Flaschen werden in einem Sitzbezug widerverwendet. Bild: zvg

Wenn es um Recycling geht, ist die Schweiz führend: So werden beispielsweise PET-Flaschen zu 83 Prozent wiederverwertet. Es ist also gut denkbar, dass eine in der Schweiz leer getrunkene Plastikflasche dereinst zum Autositz wird, denn immer mehr Hersteller setzen auf Innenausstattungen aus wiederverwerteten PET-Flaschen.

Recycling: Rund 350 Kilogramm Kunststoff werden in einem Auto verbaut. Ein guter Teil davon auch im Innenraum, bei dem die Hersteller vermehrt auf Recycling setzen.

In den Sitzbezügen des aktuellen Audi A3 stecken beispielsweise 45 1½- Liter-PET-Flaschen. Dafür werden die Flaschen zunächst nach Farbe, Grösse und Qualität sortiert. Danach werden sie in kleine Flocken zerhäckselt, die gewaschen und eingeschmolzen werden, um sie in endlos lange Stränge zu formen. Aus diesen wird schliesslich ein feines Granulat erstellt, das schlussendlich zu Fäden verarbeitet wird. Aus diesen können schliesslich Sitzbezüge, aber auch Teppiche für den Innenraum hergestellt werden. Auch Dämmmatten und weitere Teile im Innenraum können aus den eingeschmolzenen Flaschen gefertigt werden. Insgesamt können in einem Kompaktwagen von Audi mehr als hundert Flaschen verarbeitet werden. Allerdings sind die Sitzbezüge noch nicht komplett aus Recyclingmaterial gefertigt: «Die Herausforderung stellt das Untergewebe dar, das per Kleber mit dem Obermaterial verbunden wird. Wir arbeiten daran, auch diesen durch recyclingfähiges Polyester zu ersetzen», sagt Ute Grönheim, bei Audi zuständig für die Materialentwicklung im Bereich Textilien. «Unser Ziel ist es, den Sitzbezug komplett aus sortenreinem Material herzustellen, damit es wieder dem Kreislauf zugeführt werden kann. Davon sind wir nicht mehr weit entfernt.»

"Unser Ziel ist es, den Sitzbezug komplett aus sortenreinem Material herzustellen."

Ute Grönheim Materialentwicklerin, Audi

Sitzbezüge aus PET-Material finden sich inzwischen schon bei einigen Herstellern. Sie sind aber erst der Anfang. So hat Volvo ein Konzeptauto mit zahlreichen Recyclingideen gebaut. Der Mitteltunnel wurde aus wiederverwerteten Fischereinetzen und Seeseilen gefertigt, in den Fussmatten kommen Baumwollfasern aus Resten der Bekleidungsindustrie zum Einsatz. Und das Dämmmaterial unter der Haube besteht aus wiederverwerteten Polstern von älteren Volvo-Modellen. Die Studie auf Basis eines XC60 soll indes weit mehr als nur ein Gedankenspiel sein: Bis 2025 will Volvo in den neu eingeführten Modellen mindestens 25 Prozent der Kunststoffe aus Recyclingmaterial produzieren. Zusammen mit dem schwedischen Start-up-Unternehmen Enviro forschen Volvo und der Reifenhersteller Michelin zudem an Recyclingmöglichkeiten für gebrauchte Reifen; Enviro schätzt, dass pro Tonne Altreifen Rohstoffe im Wert von 410 Dollar gewonnen werden könnten: hauptsächlich Kautschukruss, Pyrolyseöl, Stahl und Gas.

Nachwachsende Materialien sind einfacher zu recyceln als Kunststoffe. Im neuen MX-30 setzt Mazda auf Innenraumteile aus Naturkork. Das ist einerseits ein netter Verweis auf die Firmengeschichte – Mazda startete 1920 als Korkveredelungsunternehmen –, andererseits ist es ein interessantes und bislang einzigartiges Beispiel, wie man einen Fahrzeuginnenraum mit nachhaltigen Materialien gestalten kann. Denn nicht nur Kunststoffe, sondern auch Holz und Leder werden künftig im Auto seltener werden. Philipp Aeberli