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Vom Trottinett zum Mobilitätskonzept

Saubere Sache

Vom Trottinett zum Mobilitätskonzept

Der Microlino 2.0: Die Tür ist an der Front angebracht. Im Cockpit gibt es nur das Nötigste – und eine Halterung für das Smartphone. Bilder: zvg

In seiner Garage baute Firmengründer Wim Ouboter den Prototyp für seinen ersten Tretroller. Mit seinem neuen Gefährt wollte er eine Lösung bieten für Strecken, die zu lang sind, um sie zu Fuss zurückzulegen, aber auch zu kurz, um Fahrrad oder Auto aus der Garage zu holen. Seit 1999 sind die klappbaren Trottinetts mit Inlineskate-Rädern fester Bestandteil des Stadtbildes – fast überall auf dieser Welt. Der Micro Scooter verkaufte sich millionenfach. In Spitzenzeiten setzte die neu gegründete Micro Mobility Systems AG 80 000 Stück pro Tag ab. Doch die Konkurrenz liess nicht lange auf sich warten. Schon bald tauchten Kopien am Markt auf, es kam zu einer regelrechten Preisschlacht. So war das noch junge Unternehmen gezwungen, sich durch Innovation am Leben zu erhalten. Es entstanden laufend neue Produkte. Dreirädrige Trottinette, die sich leichter fahren lassen, Tretroller für Kinder oder Alternativen zum Kinderwagen zum Beispiel. Immer ging es darum, neue Nischen zu finden. So auch 2015, als die Söhne des Firmengründers mit der Entwicklung eines neuen Stadtflitzers starteten. Merlin und Oliver schwebte ein Fahrzeug vor, das die Lücke zwischen Motorrad und Auto abdeckt.

Ende der 1990er-Jahre waren die Tretroller von Micro der letzte Schrei. Der Tretroller ist noch immer im Angebot – doch das Unternehmen aus Küsnacht ZH hat inzwischen weit mehr zu bieten.

««Zwar könnten sich die meisten mehr leisten, doch sie brauchen es kaum.»

Merlin Ouboter
Micro Mobility Systems AG

Neu interpretiert

«Heutige Autos sind eigentlich viel zu gross», sagt Merlin Ouboter. Denn durchschnittlich seien 1,2 Personen in einem Auto unterwegs, die rund 35 Kilometer pro Tag fahren. So kam man auf das Konzept des Kabinenrollers, wie es ihn schon in den 1950er-Jahren gab. Damals, nach dem Zweiten Weltkrieg, waren die kompakten Fahrzeuge, wie zum Beispiel die Isetta von BMW, die einzige Form von Mobilität, welche man sich leisten könnte. «Heute könnten sich die meisten zwar mehr leisten, doch sie brauchen es kaum», so Ouboter.

Nicht nur beim Grundkonzept, sondern auch beim Design orientiert sich der Microlino 2.0 – er ist bereits der zweite Entwurf des Familienunternehmens – an den historischen Vorbildern. Doch soll er mehr als nur eine Kopie sein. «Wir wollten eine Balance aus Retro und Moderne finden.» Die Grundform erinnert an den Klassiker, während moderne LED-Beleuchtung, die dem Microlino bei Nacht das Gesicht eines Smileys verleiht, die Brücke in die Gegenwart schlägt.

Wie bei der klassischen Isetta gibt es auch beim Microlino keine Seitentüren, sondern eine grosse Tür an der Front, das Lenkrad wird beim Ein- und Aussteigen einfach weggeklappt. So finden zwei Personen Platz, im Heck ist zudem 220 Liter Raum für Gepäck. Für die täglichen Einkaufs- und Pendlerfahrten also genau richtig. Und weil der Stadtflitzer nur 150 cm breit und 243 cm lang ist, kann er quer geparkt werden und passt so auch in die kleinsten Parklücken.

Kleiner ist nachhaltiger

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Oliver, Wim und Merlin Ouboter. Bild: zvg

Im Gegensatz zu den Kabinenrollern der 1950er setzt der Microlino natürlich nicht mehr auf einen Benzinmotor, sondern auf einen elektrischen Antrieb. «Die üblichen Probleme von E-Autos, wie Reichweite oder Ladezeiten, spielen hier keine Rolle, weil der Microlino ohnehin nur auf kurzen Strecken zum Einsatz kommt», erklärt Ouboter.

Der Lithium-Ionen-Akku speichert 8 kWh, optional ist eine Batterie mit 14,4 kWh Kapazität zu haben. So schafft der Kabinenroller 125 oder gar 200 Kilometer. An einer Haushaltsteckdose oder an einer Ladestation ist er schon nach vier Stunden wieder komplett aufgeladen. Die Höchstgeschwindigkeit soll laut Hersteller bei 90 km/h liegen. Was für das Fahren in der Stadt aber viel wichtiger ist: Dank 100 Nm Drehmoment ist die Beschleunigung auf 50 km/h in flotten 5 Sekunden erledigt. Dabei hilft dem Microlino sein geringes Gewicht: Mit einem Gesamtgewicht von 513 kg (ohne Akku 450 kg) ist er leichter als der Akku eines grossen Elektro-SUV von Audi, Tesla oder Mercedes.

Kein Autoersatz

«Der Microlino verbraucht rund 65 Prozent weniger Energie als ein grosses E-Auto», sagt Merlin Ouboter. Zudem brauchen wir rund 50 Prozent weniger Teile als bei einem Auto. Dadurch ist der Microlino deutlich nachhaltiger als ein herkömmlicher Personenwagen. Der Kabinenroller ist weder Töff noch Auto. Er wird in der Kategorie L7e eingelöst, bekommt also ein Töff-Nummernschild, darf aber mit dem normalen Auto-Führerausweis (Kategorie B) gefahren werden. Ein Ersatz für das Auto soll der Zweiplätzer aber nicht sein. «Wir sehen den Microlino eher als Ergänzung. Er ist ein ideales Zweitfahrzeug!»

Das Zeug zum idealen Zweitfahrzeug hat der Microlino nicht nur aufgrund seines Konzeptes. Der elektrische Kabinenroller ist ab 13 500 Franken zu haben. Er kann bereits online reserviert werden, auf die Strasse soll er dann 2021 kommen. «Wir verkaufen den Microlino ausschliesslich im Direktvertrieb», so Ouboter. «Für Service und Reparaturen haben wir eine Partnerschaft mit Bosch Car Services – und sind somit an über 70 Standorten in der Schweiz präsent.» Der heimischen Tüftlergarage ist Micro also definitiv entwachsen. Philipp Aeberli

Saubere Sache

Als weitere Mobilitätslösung für die Stadt soll die Microletta folgen, ein dreirädriger Elektroroller. Er soll sich stabiler fahren als ein Motorroller mit zwei Rädern und kann zudem ebenfalls mit dem Führerausweis Kategorie B bewegt werden. Zudem muss der Fahrer an der Ampel seine Füsse nicht abstellen – so bleiben auch bei schlechtem Wetter die Schuhe sauber. Die Microletta erreicht 80 km/h und verfügt über 100 km Reichweite. Der Produktionsstart wurde noch nicht festgelegt, der Preis soll bei rund 5000 Franken liegen.