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«Rütli» des Kantons Thurgau

Das Gasthaus zum Trauben wurde in den Jahren 1549/50 erbaut, ist Kulturgut von nationaler Bedeutung und steht im alten Stadtkern von Weinfelden.

«Rütli» des Kantons Thurgau

Das Dreiecksfenster auf der Südseite des Saalbaus ist aussergewöhnlich und lässt viel Licht einfliessen. Bild: Heinz Erismann

Sebastian Mundprat, der damals die Herrschaft über Weinfelden hatte, trat als Bauherr der historischen Liegenschaft auf. Im Jahr 1551 erwarb Hans Dietrich von Gemmingen die Herrschaft über Weinfelden und verkaufte diese vier Jahre später an die Fugger. Im Jahr 1572 war Weinfelden im Besitz von Arbogast von Schellenberg und im Jahr 1575 erwarben Eberhard von Gemmingen und seine Brüder die Herrschaft über Weinfelden. Schliesslich wurde Weinfelden im Jahr 1614 an die Stadt Zürich verkauft.

Geprägt durch die geschichtliche Vergangenheit

Die Erhaltung und die zeitgemässe Erneuerung der historischen Liegenschaft hat nicht nur für die Bürgergemeinde Weinfelden oberste Priorität, sondern liegt auch im Interesse der Thurgauer Bevölkerung. Alle entscheidenden Umwälzungen in der Thurgauer Geschichte nahmen ihren Anfang beim Gasthaus zum Trauben, weshalb die historische Liegenschaft auch als «Rütli des Kantons Thurgau» bezeichnet werden darf.

Ab dem Jahr 1788 wurde das Gasthaus zum Trauben als Amtshaus der Herrschaft Weinfelden genutzt und die Gerichtsherren trafen sich mindestens einmal pro Jahr in der heute noch bestehenden Gerichtsherrenstube im ersten Stock der Liegenschaft.

Am 1. Februar 1798 versammelten sich rund 3000 Thurgauer auf dem Rathausplatz vor dem Gasthaus zum Trauben und der Weinfelder Apotheker Paul Reinhart forderte von der Traubentreppe herab die Freilassung des Thurgaus aus der eidgenössischen Untertanenschaft. Nach der französischen Julirevolution im Jahr 1830 löste der Weinfelder Pfarrer Thomas Bornhauser mit seiner Schrift «Über die Verbesserung der Thurgauischen Staatsverfassung» eine Volksbewegung aus und rief seinen Mitbürgern – ebenfalls von der Traubentreppe herab – Folgendes zu: «Der Hahn hat gekräht, die Morgenröte bricht an, Thurgauer wacht auf, gedenkt eurer Enkel und verbessert Eure Verfassung!»

Am 22. Oktober und 18. November 1830 versammelten sich die Thurgauer in Weinfelden, stürzten die Aristokratie und schufen schliesslich einen freiheitlich demokratischen Staat. Die neue Thurgauer Verfassung wurde am 14. April 1831 vom Thurgauer Volk mit 10 044 gegen 432 Stimmen angenommen und gilt auch heute noch als eine der ersten liberalen Verfassungen in Europa.

Im Jahre 1836 wurde an der Südseite des historischen Gasthauses ein Ökonomietrakt angebaut, der um 1891 zum Saal umgestaltet wurde. Als im Jahr 1956 der Abbruch der historischen Liegenschaft drohte (man wollte dort eine moderne Überbauung realisieren), übernahm die Traubenstiftung das Gebäude, renovierte es gründlich und stilgerecht und übergab es im Jahr 1961 wieder seiner ureigensten Bestimmung. Ebenfalls im Jahr 1961 wurde das Gasthaus zum Trauben unter eidgenössischen Denkmalschutz gestellt.

Seit dem Jahr 1981 steht die historische Liegenschaft im Eigentum der Bürgergemeinde Weinfelden. Mit dem Kauf und der nunmehr erfolgten nachhaltigen und zeitgemässen Sanierung des Gasthauses zum Trauben kommt die Bürgergemeinde Weinfelden ihrer Verantwortung zur Erhaltung eines Kulturguts von nationaler Bedeutung nach, damit sich auch unsere Nachkommen noch lange daran erfreuen können. Das Gasthaus zum Trauben soll unter der neuen Leitung von Sabrina Tanner und Thomas Schenk auch weiterhin ein beliebter Treffpunkt für die Bevölkerung sein und aktiv als Versammlungs- und Veranstaltungsort genutzt werden.

Stefan Haffter
Bürgerpräsident