Im ehemaligen Gemeindehaus liegt knapp 400 Jahre Geschichte: Nach dem Urnäscher Dorfbrand anno 1641 wurde das zweistöckige Pfarr- und Rathaus wiederaufgebaut. 1881 folgte ein zusätzliches drittes Vollgeschoss mit Ratssaal. Seit der umfangreichen Renovation und Modernisierung im Jahr 1960 diente das ehemalige Pfarr- und Rathaus als Gemeindeverwaltung. Infolge von diversen Um- und Anbauten in den letzten 380 Jahren stellte das ehemalige Gemeindehaus ein Flickwerk mit erheblichen statischen Mängeln bei den Deckenauflagern dar. Statische Untersuchungen durch Fachexperten haben 2010 und 2015 ergeben, dass die statische Sicherheit im Bereich der Böden in Frage gestellt werde. In einem weiteren Gutachten wurde zudem festgestellt, dass die Isolationswerte in keiner Weise den heutigen Ansprüchen genügen, entsprechend auch die Aussenfassaden ersetzt werden müssten und somit nur ein Bruchteil des gesamten Gebäudes erhalten werden könnte.
Von der Studie zum Siegerprojekt
Nach Prüfung der Zustandsstudien durch die zuständigen kantonalen Stellen wurde Mitte 2016 das Einverständnis zur Planung eines Abbruchs und Neubaus der Gemeindekanzlei Urnäsch erteilt – unter Vorbehalt der Einhaltung der strengen architektonischen Anforderungen an einen Neubau in der Ortsbildschutzzone von nationaler Bedeutung.
Daraufhin liess die für den Neubau gegründete Arbeitsgruppe eine Volumenstudie erarbeiten, welche mögliche Bauvolumen bei einem Ersatzneubau aufzeigt, die optimal ins bestehende Ortsbild einpassen. Anhand von Visualisierungen konnte aufgezeigt werden, dass unter Wahrung der vorhandenen Proportionen, eine Anpassung der Geschosshöhen an zeitgemässe Bedürfnisse ortsbildverträglich möglich ist. Gleichzeitig wurde deutlich, dass die Realisierung eines neuen Wohnhausvolumens auf der Südseite ortsbaulich sinnvoll ist. Einerseits wird damit die ortsbauliche Struktur gestärkt und anderseits die Förderung nach innerer Verdichtung wahrgenommen. Selbstverständlich erhofft man sich dadurch auch wirtschaftliche Vorteile. Diese neutral erarbeitete Studie unter Einbezug der kantonalen Denkmalpflege ergab die Basis für den nachgelagerten Studienauftrag.
Gegenstand des in der Zeit von April bis November 2017 durchgeführten Studienauftrages mit Folgeauftrag war die Ausarbeitung eines ortsbaulich hervorragend eingepassten Neubaus für die Gemeindekanzlei Urnäsch, ergänzt mit einem südseitigen Wohnhaus inklusive Tiefgarage. An das Projekt wurden folgende Ansprüche gestellt:
a) Es muss ein überzeugendes ortsbauliches Gesamtensemble entworfen werden, das sich sensibel in den Ortskern von nationaler Bedeutung einfügt.
b) Das Gebäudeensemble muss die funktionalen Anforderungen gemäss Raumprogramm optimal abdecken.
c) Der Neubau am Eingang zum Dorfplatz ist eine Visitenkarte. Es muss aufgezeigt werden, mit welchem architektonischen Ausdruck und welcher Berücksichtigung der Appenzeller Bautradition einerseits und einer zeitgemässen Architektur anderseits, gerecht werden kann.
Es wurden fünf Architekturbüros eingeladen, welche über Erfahrung mit öffentlichen Bauten und dem Bauen in geschützten Ortsbildern verfügen. Als Gewinner des Studienauftrages ging das Architekturbüro Staufer & Hasler Architekten AG aus Frauenfeld hervor. Das Siegerprojekt wurde im Jahr 2018 unter Begleitung der durch den Gemeinderat eingesetzten Arbeitsgruppe «Neubau Kanzlei» bis zur Abstimmungsreife weiterentwickelt.
Neubau aus Urnäscher Holz
Gesetztes Ziel: ein Haus aus «ösrigem» Holz. Über dem Sockelgeschoss aus Stahlbeton, in welchem sich die Untergeschosse und die Garage befinden, sollen drei weitere Geschosse mit möglichst viel Urnäscher Holz gebaut werden. Nebst dem Kanzleineubau soll auf der Südseite ein Wohnhaus mit acht modernen Eigentumswohnungen erstellt werden, für das ein privater Investor gesucht werden soll.
An der Urnenabstimmung vom 17. März 2019 hat das Urnäscher Stimmvolk dem vorliegenden Projekt «Neubau Kanzlei» des Architekturbüros Staufer & Hasler AG sowie dem vorliegenden Baukredit mit grossem Mehr zugestimmt. Kurz daraufhin wurde durch den Gemeinderat eine Baukommission aus Fachpersonen eingesetzt.
Bereits im Mai 2019 ist die Baukommission in die Planungsphase «Neubau Kanzlei» gestartet. Ziel war es, einerseits die Anforderungen, welche im Studienauftrag erstellt wurden, eins zu eins umzusetzen, und andererseits möglichst viele Arbeiten in der Region zu vergeben. Ergänzend dazu war es dem Gremium wichtig, die Bauleitungsaufgaben in der näheren Region zu vergeben, was ihnen mit der Auftragsvergabe an die Firma «rsp»-Bauleitung, Herisau, gelang.
Nach der Planungsphase wurde im Mai 2020 mit dem Abbruch der alten Kanzlei in die definitive Bauphase gestartet. Nach einer rund 20-monatigen Bauphase konnte am 24. Januar der offizielle Kanzleibetrieb in der neuen Gemeindekanzlei aufgenommen werden. Mit dem Neubau der Gemeindekanzlei ist ein prägnantes, sehr gut ins Ortsbild eingepasstes und mit zeitgemässer Infrastruktur versehenes Verwaltungsgebäude entstanden. Der Neubau des Wohnhauses südlich der Gemeindekanzlei erfolgt durch die Firma Fevesta Wohnbau AG Frauenfeld. Damit entsteht ein attraktives Angebot an Wohnungen im Zentrum von Urnäsch.
Aus vielen kleinen Elementen wurde etwas Grosses
Die Bauherrschaft dankt herzlich für die tolle, unkomplizierte sowie immer sachbezogene Zusammenarbeit sowie für das sehr gelungene Projekt dem Architekturbüro Staufer & Hasler Architekten AG Frauenfeld, der «rsp»- Bauleitung Herisau, den Fachplanern, sämtlichen kantonalen Stellen, allen involvierten Unternehmern inklusive sämtlichen Handwerkern, die mit ihrer Arbeit für die termingerechte und fachlich kompetente Realisierung des Bauvorhabens verantwortlich sind. Ein weiterer Dank gilt dem Stimmvolk von Urnäsch für das Vertrauen, sämtlichen Nachbaren für ihr Verständnis während der Bauphase und der ganzen Baukommission für ihre geleistete Arbeit.
Für die Bauherrschaft: Niklaus Hörler, Gemeinderat und Präsident der Baukommission
Offene Türen/2G-Anlass
Am Samstag, 12.Februar, von 10 bis 16 Uhr sowie am Sonntag, 13. Februar, von 10 bis 14 Uhr steht die neue Gemeindekanzlei für die interessierte Bevölkerung zur freien Besichtigung offen. «Sönd willkomm!»