Wenn die Tschechen nun mit dem Verkauf des Enyaq starten, legen sie den Schalter um und bringen ihr erstes dezidiertes Elektroauto in den Handel. Auch wenn der Wagen im tschechischen Mlada Bolelav vom Band läuft, ist er keine komplette Eigenleistung. Denn er basiert natürlich auf dem Modularen Elektrifizierungsbaukasten (MEB) des VW-Konzerns und ist damit eng verwandt mit dem ID.3, dem ersten rein als Elektroauto konzipierten Modell von Volkswagen. Doch einmal mehr bewies Skoda einen gewissen Eigensinn und positioniert den Enyaq deshalb entsprechend dem Markenslogan «simply clever ». Denn wo der ID.3 ein eher konventionelles Steilheckmodell aus der Kompaktklasse ist, schwimmt der Enyaq mit dem SUV-Strom und dürfte so deutlich mehr Kunden ansprechen.Dabei ist der 4,65 Meter lange Enyaq, dessen Name von den Kelten inspiriert ist und für «Quell des Lebens» steht, dem konventionell angetriebenen SUV Kodiaq aus dem gleichen Hause nicht nur in Form und Format, sondern auch beim Fahren näher als den meisten Elektroautos der ersten Stunde – authentisch statt synthetisch. Die Sitzposition ist erhaben, ohne dass man sich auf einem Thron aus Akkus wähnt, die Lenkung ist direkt, die Beschleunigung der ersten zu einer frühen Ausfahrt bereitgestellten Prototypen harmonisch, das Bremsen mit der Rekuperation und den Trommeln an der Hinterachse gelingt feinfühlig, und dass der Wagen rund zwei Tonnen wiegt, federte er schon in der Vorserie tapfer weg.
Der CitiGo iV und die Plug-in-Varianten von Superb und Octavia waren nur das Vorspiel. Jetzt machen die Tschechen Ernst mit der Elektrifizierung und rollen den E-SUV Enyaq an den Start.
Nur in einem Punkt unterscheidet sich der Enyaq dramatisch von Kodiaq und Co.: Weil es vorne weder Motor noch Antriebswelle gibt, können die Räder deutlich weiter einschlagen, und der Wendekreis schrumpft um rund zwei auf kaum mehr als zehn Meter. Selbst ein Octavia wirkt deshalb im Vergleich ziemlich sperrig, und das Rangieren mit dem elektrischen Riesen wird auch ganz ohne Kameraüberwachung und Einpark-Assistent zum Kinderspiel.
Die Nähe zum konventionellen Auto heisst aber auch, dass man nach manchen elektrischen Eigenheiten im Enyaq vergeblich sucht: Den bei vielen E-Fahrern so beliebten One-Pedal-Betrieb, bei dem die Rekuperation stark genug ist, um die mechanische Bremse zu ersetzen, müssen die Entwickler noch programmieren, und auch dann wird es das nur im untersten Menüpunkt geben. Und noch etwas sparen sich die Tschechen: den Freiraum für die Füsse in der ersten Reihe. Weil Entwicklungschef Christian Strube eine grosse Ablage im Alltag wichtiger war als das theoretische Gekuschel zwischen Fahrer und Sozius, hat auch der Enyaq einen hohen, wenngleich luftigen Mitteltunnel.
«Um die Modellpalette möglichst weit zu spreizen, variiert Skoda kräftig bei Batteriegrösse und Motorleistung.»
Integrierter Ladekabelreiniger
Wo sich der Enyaq abgesehen vom ungewöhnlich kleinen digitalen Cockpit und dem dafür umso grösseren Touchscreen daneben in der ersten Reihe anfühlt wie ein Kodiaq, profitieren die Hinterbänkler deutlich von der elektrischen Architektur mit den Akkus im Wagenboden und den kleinen Motoren an der Hinterachse: Obwohl noch vier Zentimeter kürzer als ein Octavia, bietet der Enyaq bei 2,77 Metern Radstand im Fond fünf Zentimeter mehr Knieraum, und der Kofferraum ist mit knapp 600 Litern fast so gross wie beim Superb. Um die Modellpalette möglichst weit zu spreizen, variiert Skoda kräftig bei Batteriegrösse und Motorleistung. In der Basis fährt der Enyaq mit einem 55-kWh-Akku für maximal 340 Kilometer sowie einem Heckmotor von 109 kW oder nach alter Währung 148 PS und bekommt einen Onboard- Lader mit 7 kW Leistung, sodass einem die Zeit an der Wallbox schnell ziemlich lang wird. 11 kW gibt es nur gegen Aufpreis, und wer wirklich schnell laden will, der muss an die Autobahn und bekommt bei 125 kW den Hub von 10 auf 80 Prozent in 40 Minuten.
Bei den Batterien bietet Skoda alternativ 62 kWh für eine Normreichweite von 390 oder 82 kWh für 510 Kilometer Aktionsradius an. Und den Motor schalten sie auf Wunsch für 132 kW oder 150 kW frei. Wem das nicht reicht, der kann weitere 75 kW für die Vorderachse dazu bestellen.
Der Elektro-SUV hat ein alltagstaugliches Format, bietet Fahrleistungen ohne nennenswerte Einschränkungen und ganz typisch für die Autos aus Mlada Bolelav reichlich Platz. Und wie immer wird der Preis ein wenig unter dem Pendant aus Wolfsburg liegen. Aber nicht nur in diesen klassischen Kategorien ist der Enyaq ein typischer Skoda, sondern erst recht im Detail. Denn auch er strotzt vor Kleinigkeiten aus der Rubrik «simply clever»: Der Stromer ist das erste Elektroauto mit integriertem Reiniger fürs Ladekabel – und wird so in jeder Hinsicht zu einer sauberen Sache.
Thomas Geiger
«Emotionale Linien» im Design
Der Enyaq markiert für Skoda den Aufbruch in eine neue Ära, daher macht die Marke auch beim Design den nächsten Entwicklungsschritt. «Emotionale Linien und ausgewogene, dynamische Proportionen verbinden sich beim ersten Skoda auf Basis des Modularen Elektrifizierungsbaukastens (MEB) mit typisch grosszügigen Platzverhältnissen und nachhaltigem Fahrspass», erklärt Karl Neuhold, Leiter Exterieur Design bei Skoda, die Besonderheiten des Enyaq-Designs. Besonders stolz ist er auf die Front des Neulings: «Wir setzen auch bei unseren Elektrofahrzeugen auf den markanten Skoda-Grill, der einen hohen Wiedererkennungswert für die Marke schafft. Ein echter Hingucker sind auch die Voll-LED-Matrix-Scheinwerfer und die Tagfahrlichtleiste.» (tg)