«Adrian kocht mit Liebe, Vernunft und Leidenschaft», sagt Partnerin Svenja Bellmann über ihn. «Und Svenja ist eine herzliche Gastgeberin, kreative Köchin mit einer Vorliebe für Weine», gibt Adrian Nessensohn zurück. Die beiden sind ein eingespieltes Team und haben die letzten Monate mit viel Durchhaltewillen gemeistert, trotz Einschränkungen durch die Pandemie. Adrian Nessensohn wuchs im Thurgau auf dem Bauernhof seiner Eltern auf und absolvierte im Gasthaus Sonne in Lengwil seine Ausbildung zum Koch. Inden folgenden Jahren arbeitete er in renommierten Hotels und Gourmetrestaurants in der ganzen Schweiz. Svenja Bellmann ist in einem 300-Seelen-Dorf im Erzgebirge aufgewachsen und kam nach ihrer Ausbildung in die Schweiz–zum Glück für die beiden Gastronomen, die sich beim Arbeiten in Gstaad kennen lernten.«Selbstständigkeit war für uns schon lange ein Thema», so Adrian Nessensohn. «Wir haben stetig auf dieses Ziel hingearbeitet», sagt Svenja Bellmann.
Eigene Ideen umsetzen
Zweifel hatten die beiden bezüglich der Finanzierung sowie dem Finden des passenden Objekts. «Dazu war das Einstellen von Mitarbeitenden herausfordernd. Welche Art von Stellen sollen wir besetzen, und ist das, was wir machen möchten, überhaupt das, was die Gäste auch wollen und schätzen?», fragte sich Adrian Nessensohn.
Doch an der Selbstständigkeit reizte die beiden, dass sie ihr Können und ihre Überzeugungen nach ihren Ideen umsetzen können.«Wirwollten die Produzenten und ihre Produkte in den Vordergrund rücken», sagen die beiden. So fühlten sie sich nach der jahrelangen Vorbereitung bereit für den grossen Schritt, entschieden sich für das Restaurant Helvetia in St. Gallen und gleisten alles für die Eröffnung auf. Und dann kam Covid-19. Alles abbrechen oder weitermachen? «Unser Start begann harzig. Es gab Verzögerungen bei den vorausgehenden Arbeiten am Restaurant, wir mussten die Eröffnung verschieben, dann wurde die Anzahl Sitzplätze reduziert, die andauernden Änderungen der Gesetzesauflagen waren sehr fordernd wie auch die Unsicherheit beim Einstellen von zusätzlichen Mitarbeitern», zählt Adrian Nessensohn auf. Keine rosigen Aussichten für die Jungunternehmer. Als die Massnahmen kamen, hätten sie diese einfach umgesetzt. «Was blieb uns anderes übrig, es hat alles sehr viel zusätzliche Zeit, Nerven und Geld gekostet», sagt er weiter.
«Wir haben uns überlegt, die ganze Übung abzubrechen, als wir erneut schliessen mussten, obwohl sich zeigte, dass unser Schutzkonzept hält», sagt der Gastronom. Das junge Paar entschloss sich jedoch, weiterzumachen und es zu wagen. Jeder Start eines Unternehmens sei erfahrungsgemäss in den ersten drei Jahren schwer. So fordernd haben sie es sich natürlich nicht vorgestellt. Die meiste Zeit haben sie nach der erneuten Öffnung das Restaurant alleine betrieben, um Personalkosten einzusparen, auch aus Angst vor einer erneuten Schliessung. «Das Wichtigste beim Schritt Richtung Selbstständigkeit ist auf jeden Fall, dass man alles wirklich gut überdenken sollte. Man kann nie alles richtig machen und es kommt anders, als man denkt – in unserem Fall begleitete die Pandemie den Aufbau. Man muss viel für den eigenen Traum opfern und sollte daher davon überzeugt sein, dass ein eigenes Unternehmen das Richtige ist», raten die Jungunternehmer allen, die mit dem Wunsch der beruflichen Unabhängigkeit liebäugeln. Unabhängigkeit sei die Selbstständigkeit jedoch auf keinen Fall. In der aktuelles Zeit ganz besonders nicht: «Wir sind vor allem auf Entscheidungen vom Bund, der Kantone und der Wirtschaft abhängig, von den Gästen wie auch von Produzenten, Lieferanten und Bauern. Ich denke, unabhängig werden wir nie sein, das ist auch der falsche Ansatz, wenn man sich für die Selbstständigkeit entscheidet», sagt Adrian Nessensohn.
Teilen und geniessen
Ihr Durchhaltewillen hat sich gelohnt. Das Restaurant läuft gut und ihre Ideen funktionieren. Die beiden Gastronomen überzeugen mit einem Konzept, das zwar nicht neu ist, jedoch noch nicht so bekannt ist in der Schweiz. «Es fühlt sich etwas wie zu Hause an, wenn alle Speisen auf den Tisch gestellt werden. So, wie wir auch mit Gästen zu Hause essen. Unser Sharing-Konzept kommt jedenfalls super bei den Leuten an», freuen sich die beiden. So muss man sich nicht für ein Gericht entscheiden, sondern kann von allem etwas probieren. «Wenn du überzeugt davon bist und es mit Leidenschaft und Verstand machst, spielt es keine Rolle, ob es altbewährt oder modern ist, aber eine Marktanalyse und der richtige Standort sind sicher von Vorteil», raten Svenja Bellmann und Adrian Nessensohn. Desirée Müller
Chancen nutzen in der Krise
Chancen nutzen in der Krise
Gab es seit der Pandemie weniger Firmengründungen – respektive hatten Sie weniger Dossiers zu bearbeiten?
Fränzi Bachmann: Nein. Es gab immer noch viele Gründungen. Die Menschen hatten viel Zeit im Lockdown und während der Kurzarbeit, um sich mit der allenfalls schon längst bestehenden Idee, sich selbstständig zu machen, auseinanderzusetzen; aus einer Idee heraus ein Konzept zu erarbeiten und die Firma zu gründen.
Gibt es aktuell einen Branchenschwerpunkt? In welchen Bereichen werden die meisten Firmen gegründet?
In der Gastronomie gab es sicher nicht viele neuen Firmen. Es gibt nicht unbedingt einen Branchenschwerpunkt, aber die Tendenz geht mehr in Richtung Beratungen, Medizin, Gesundheit und Online. Wie Masken herstellen, Apps zu Gesundheitsberatungen und vieles mehr.
Was sind aktuell die grössten Ängste von Jungunternehmern, die Sie auf dem Weg zur Selbstständigkeit begleiten?
Ich glaube die Angst ist bei etwas Neuem immer, dass es nicht funktioniert und nichts daraus wird. Aber die Herausforderung für Unternehmensgründer und -gründerinnen liegt oft in einigen wichtigen Fragen. Wie bringe ich das Produkt an die Kunden, wie werde ich bekannt? Auch finanzielle Punkte sind von Bedeutung. Wie finde ich einen Investor?
Was ist die Motivation, um den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen – trotz unsicherer Zeiten?
Die Chancen nutzen, welche sich durch Covid-19 ergeben. Sich den Bedürfnissen der Bevölkerung anpassen. Es gab zwar einen Einschlag für die Gastronomie, dafür haben andere Bereiche in der Krise profitiert. Gerade die Gesundheit wurde nochmals viel wichtiger. Der Onlinemarkt hat nochmals einen Aufschwung erlebt.
Können Sie den Leserinnen und Lesern einige Tipps geben, wie sie vorgehen könnten, wenn sie von der beruflichen Selbstständigkeit träumen?
Die Gründer von Start-ups sagten in Interviews: Nicht aufgeben und dranbleiben! Die Idee zum Kunden bringen und nicht warten, bis der Kunde von sich aus anruft. Networking, Kontakte knüpfen. Sich über Themen informieren. Die Idee ausarbeiten und sich über die Firmengründung informieren. (mul)
OST – Ostschweizer Fachhochschule
Das Startnetzwerk Thurgau ist eine Non-Profit-Organisation mit dem Ziel, das Unternehmertum im Thurgau zu fördern. Das Netzwerk steht Jungunternehmern jeden Alters offen. Einzige Voraussetzungen sind, dass eine Unternehmensexistenz im Kanton Thurgau geplant ist und eine allfällige Unternehmensgründung nicht länger als fünf Jahre her ist. (mul)
Wichtige Fragestellungen vor einer Firmengründung
Mit einem Businessplan starten
Das Erarbeiten eines Businessplans ist zwar aufwendig, doch bei den meisten bevorstehenden Firmengründungen essenziell. Bei der Ausarbeitung des Plans werden wichtige Fragen beantwortet, die man sich vor der Gründung eines Unternehmens stellen muss. Der Businessplan ist in erster Linie ein Werkzeug für Gründer – und vielleicht sogar das wichtigste in der Startphase des Unternehmens. Mit ihm bringt man Struktur in eine unvorhersehbare Zukunft. Die meisten Banken und Investoren verlangen einen detaillierten Businessplan.
1 Welches sind die Zielgruppen? An wen richtet sich die Geschäftsidee?
2 Eine Konkurrenz-Analyse zeigt, welches die Mitstreiter sein werden.
3 Wie funktioniert die Geschäftsidee? Wie ist sie praktisch umsetzbar?
4 Mittels einer SWOT-Analyse werden Chancen und Risiken dargelegt.
5 Wie sollen die Produkte oder Dienstleistungen beworben werden?
6 Lohnt sich die Geschäftsidee überhaupt? Es wird ein Finanzplan erstellt.
Einzelfirma, GmbH oder AG?
Der Businessplan ist geschrieben, die eigentliche Firmengründung steht an. Doch welche Rechtsform soll es sein? Eine Einzelfirma, eine Aktiengesellschaft (AG) oder eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)? Die Unterschiede kurz zusammengefasst:
Die Unterschiede zwischen der GmbH und einer AG liegen hauptsächlich im Mindestkapital und der Mindesteinzahlung. Bei der GmbH beträgt das Stammkapital mindestens20000 Franken, dieses muss voll liberiert sein. Bei der AG beträgt das Aktienkapital mindestens 100000 Franken, davon müssen aber nur 50000 Franken liberiert sein. Man sollte immer vor Augen haben, welchen Zweck die Firma erfüllen soll respektive welche Tätigkeit man ausüben möchte. Je nach dem eignet sich die eine oder andere Rechtsform. Für einen Einmannbetrieb ohne hohes Stammkapital bietet sich eine Einzelfirma an. Sobald mehrere Personen involviert sind, eignet sich eine GmbH, da nur mit dem Geschäftsvermögen gehaftet wird. Für grössere und gewinnorientierte Unternehmen kann eine Aktiengesellschaft die beste Lösung sein. (mul)