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Spielwiese für die Kreislaufwirtschaft

Spielwiese für die Kreislaufwirtschaft

Blick in die Umar mit der Tetra-Pak-Wand im Hintergrund. Bild: zvg

Vielleicht sollten sich Baustoffhersteller, Designer und Architekten Legospielende Kinder zum Vorbild nehmen. Das bunte 5-stöckige Haus wird nach Spielsättigung auseinandergebaut und die Teile beim nächsten Mal wieder für einen anderen Zweck verbaut. Emissionen gleich null. Abfall: Gleich null – vorausgesetzt, die Legos werden im Anschluss an die Cousine oder den Cousin weitergegeben und nicht einfach entsorgt. Kinder wissen natürlich nicht, dass sie damit kreislaufgerecht bauen und Vorbild für eine ganze Branche sind. Eine Branche, die als grösste Verschwenderin von Rohstoffen und Energie einen wenig ehrvollen Titel trägt.

Baumaterialien: Im «Nest» werden Baumaterialien und Ansätze getestet, die die Baubranche verändern sollen.

Umdenken auf allen Ebenen

Doch die Branche ist im Umbruch. Kreislaufwirtschaft heisst das Zauberwort. Dahinter steckt die Vision einer abfallfreien Wirtschaft, bei der keine gesundheits- und umweltschädlichen Materialien verwendet und Rohstoffe dauerhaft einem Kreislauf zurückgeführt werden. Zu diesem Kreislauf gehören viele Aspekte, es fängt an mit einem Bauentwurf, der einen allfälligen Um- oder Abbau bereits antizipiert und daher auf eine modulare Bauweise setzt, damit z. B. Leitungen in 50 Jahren ganz einfach ausgetauscht oder Bauteile nach dem Rückbau wiederverwendet werden können. Dazu gehören auch die Vorfertigung von Bauteilen, die richtigen Baumaterialien sowie Verbindungstechnologien, die es ermöglichen, Fensterdichtungen, Trockendichtungen usw. so zu verbauen, damit sie leicht wieder zu entnehmen sind.

Spielwiese für die Kreislaufwirtschaft

All diese Aspekte berücksichtigt die Forschungseinheit «Umar im Nest» in Dübendorf, dem modularen Forschungs- und Innovationsgebäude der Empa und der Eawag. Hier entstand mit der Unit Urban Mining & Recycling eine Wohnung, bei der der Kreislaufgedanke eine zentrale Rolle spielt. Der Umar Unit liegt die These zugrunde, dass alle zur Herstellung eines Gebäudes benötigten Ressourcen vollständig wiederverwendbar, wiederverwertbar oder kompostierbar sein müssen. Es fungiert daher als temporäres Materiallager und Materiallabor, in dem getestet wird, wie weit es möglich ist, kreislaufgerecht zu bauen. «Wir benutzen z. B. Ziegel, die mit einem Stecksystem verbunden sind, so dass kein Mörtel zum Einsatz kommt», erklärt uns Enrico Marchesi, Innovationsmanager beim «Nest». «Nach dem Abbau können diese dann einfach wieder auseinandergenommen werden wie Legos.»

Tetra-Pak ist das neue Rigips

Auch die Baumaterialien müssen dem Anspruch der Kreislaufwirtschaft genügen. «Ein tolles Beispiel ist die Wand aus Glaskeramik, bei der altes Glas gebrochen und thermisch aufgearbeitet wurde, um zu einem neuen Plattenwerkstoff gepresst zu werden», schwärmt Enrico Marchesi. «Das energieaufwendige Einschmelzen fällt hier ebenso weg wie der Zusatz von Bindemitteln.» Bei der «Rewall Nakedboard» werden eigentlich untrennbare Tetra-Pak-Verpackungen geschreddert, komprimiert und als Ersatz für Rigipsplatten eingesetzt. Bedenken wegen Ausdünstungen bei den wiederverwendeten Kunststoffen muss man nicht haben, da ehemalige Lebensmittelverpackungen den höchsten Standards für Lebensmittelsicherheit genügen. Ganz im Gegenteil ist man beim Betreten der Unit überrascht über die wohngesunde Luft und das angenehme Raumklima. Jedes Möbel, jedes Material hat hier eine spannende Innovationsgeschichte und liefert seinen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft. Alte Jeans, PET und Tetra-Pak-Verpackungen bekommen eine neue Bestimmung, Pilze oder Hanf erproben ihre Dämmqualitäten. Die meisten der verwendeten Materialien sind bereits auf dem Markt. So auch der Teppich Ecobase Carpet aus 100 Prozent regeneriertem Nylon der niederländischen Firma Desso. Aufgrund der kreislaufgerechten Ressourcen werden die Teppichfliesen nur vermietet. Auch das gehört zur Kreislaufwirtschaft. Gebrauchsgüter werden geleast und/oder von den Unternehmen zurückgenommen, um sie nach der Gebrauchsphase wieder selbst in den Kreislauf einspeisen zu können. (ds)