Corona macht auch vor der Automobilbranche nicht halt. Im Gegenteil: Die meisten Hersteller blicken mit massiven Absatzeinbussen einer wenig aussichtsreichen Zukunft entgegen. Neue Fahrzeuge wurden 2020 zwar auch vorgestellt, doch das ging in der Corona-Krise beinahe unbemerkt und ohne grosses Aufsehen über die Bühne.
Das neue Sportcoupé Roma soll 2021 nicht nur Fans der Marke erfreuen, sondern das Selbstverständnis des in Corona-Zeiten arg gebeutelten Bella Italia wieder aufmöbeln.
Diesem Negativtrend tritt Ferrari jetzt zum Ende des Krisenjahres mit dem Roma entgegen. Nichts weniger als das «nuova dolce vita», das neue süsse Leben, wird von der Ferrari-Marketingabteilung im gleichen Atemzug mit dem neusten Modell genannt. Dass der Zweitürer auch noch den Namen der Ewigen Stadt trägt und damit zum geschichtsträchtigen Symbol stilisiert wird, ist kein Zufall.
«Das Design des Ferrari Roma bezieht seine Inspiration von der sportlichen Eleganz der legendären Ferrari GTs der 1960er-Jahre – Autos mit Frontmotor und einfachen, aber doch eleganten Formen», erklärt Johann Lemercier aus der Ferrari-Designabteilung die Form des V8 2+Coupé. 2+ steht dabei für den Zweisitzer mit dem Plus für die beiden wenig komfortablen Notsitze im Fond. Scharf gezeichnete Sicken und Kanten, wie man sie vom offenen Portofino kennt, mit dem sich der Roma die Basis teilt, sucht man vergeblich.
Pures Design mit eleganten Proportionen
Die Behauptung, dass das Roma-Coupé mit der sanfteren Optik besonders auf eine weibliche Kundschaft zielt, verneint Johann Lemercier aber vehement: «Der Roma hat ein pures Design, welches die eleganten Proportionen eines Ferrari-Klassikers wie des 250 GT Lusso Coupé aufnimmt. Wir denken bei der Gestaltung aber bestimmt nicht an Männer oder Frauen als Kunden – sondern geschlechtsneutral nur an Ferrari-Driver.»
Auffällig ist das Design des Roma so oder so. Insbesondere die Hainasenfront überrascht durch ihre nüchterne Kargheit ohne Luftschlitze und Dekoration. Unter den linear gezeichneten LED-Scheinwerfern prangt kein Kühlergrill mit silbrig glänzendem«cavallino rampante », sondern ein regelmässig perforiertes Blech in Wagenfarbe. Ob sich die Ferrari-Designabteilung da wohl von der Kühlergrilllosen Optik neuerer Elektrofahrzeugeinspirieren liess?
Purismus lautet auch das Mottoder minimalistisch geformten und trotzdem als Hinguckertauglichen LED-Rückleuchten im breit ausladenden Heck. Zumindest dieses ist mit den vier Auspuffendrohren noch typisch Ferrari. Dass das Cockpit nun komplett digital ist, überrascht beim Roma aber ebenso wenig wie die Tatsachen, dass das Fahrzeug über ein berührungssensitives Feld gestartet wird und dass sich das digitale Kombiinstrument über ein ins Lenkrad integriertes Touchpad steuern lässt. Die «nuova dolce vita» ist bei Ferrari definitiv digital. Ausser das markentypische Manettino: Der rote Dreh- und Drückschalter im Lenkrad ist das mechanische Überbleibsel im neuen Ferrari und bietet die fünf Schaltpositionen Wet, Comfort, Sport, Race und ESC-Off. Bekanntlich geht es bei der Marke mit der grossen Formel-1-Historie aber ohnehin in erster Linie um das Fahrerlebnis.
«Der Roma hat ein pures Design, das die eleganten Proportionen eines Klassikers wie des 250 GT Lusso Coupé aufnimmt. »
Johann Lemercier, Ferrari-Designabteilung
Veritabler Sportwagen
Und wie nicht anders zu erwarten, lässt das Roma-Coupé hier nichts anbrennen. Sein neuüberarbeiteter Achtzylinder-Turbobenziner bietet mit 620 PS exakt 20 PS mehr Leistung als beim Portofino und verfügt neu über ein Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe. Sein Verbrauchswert liegt mit 11,2 Litern und einem CO2-Ausstoss von 255 g/km etwas tiefer als zuvor, die Höchstgeschwindigkeit wird wie bisher mit 320 Kilometern pro Stunde angegeben. Das liest sich eindrücklich– und fühlt sich auf der Strasse ebenso an.
Die schnelle Kraftübertragung auf die Räder im Heck und das sofortige Ansprechen auf die feinsten Berührungen des Gaspedals machen am Steuer raschgute Laune. Feuchte Hände bekommt man dort ebenfallsschnell, denn das elegante Sportcoupé erweist sich als veritabler Sportwagen. In den ersten Minuten Fahrt über kurvige Bergstrecken in Italien musste man sich deshalb erst daran gewöhnen, dass sich das Heck bei allzu stürmischer Fahrt aus engen Kurven nervös bemerkbar macht. Und man ist froh darüber, dass die Technikabteilung dafür gesorgt hat, dass technische Helfer wie die elektronische Side Slip Control oder der Ferrari Dynamic Enhancer mit an Bord sind.
Die Systeme helfen, dass das Spurverhalten des knapp 1,6 Tonnen schweren Coupés ruhiger und kontrollierbarer wird. So weicht die anfängliche Nervosität am Steuer dann purer Fahrfreude, wenn man das heute überhaupt noch empfinden darf.
Auf der Landstrasse freut man sich über die Langstreckentauglichkeit des Ferrari Roma. Sein Motor nervt nicht mit übermässigem Gedröhne, und die optionalen Assistenzsysteme wie Adaptive Cruise Control, Spurhalteassistent, Toter-Winkel-Erkennung oder die autonome Notbremse tragen ihren Teil dazu bei, dass man sich gemütlich der«bella vita» im Lederinterieur erfreuen kann.
Ähnlich positive Gedankenhaben derweil auffällig viele Italienerinnen und Italiener, die am Strassenrand stehen bleiben und den neuen Ferrari Roma bewundern. Ihren durchwegs strahlenden Augen über den mit Masken geschützten Gesichtern ist eine gewisse Erleichterung förmlich anzusehen. Nach Monaten in der Corona-Krise bringt Ferrari als Ikone des Landes endlich wieder den Nationalstolz zum Leuchten.
Und wir wetten: Das gleiche Phänomen löst der Ferrari Roma bei seinem Erscheinen rund um den Erdball aus. In der Schweiz ist es jetzt so weit: Das neue Sportcoupé aus Maranello läutet zum Preis von rund 231 000 Franken das neue süsse Lebenein. Und das gibts bei Ferrari auch 2021 nicht für wenig Geld. Thomas Borowski