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Projekt «Profi auf Probe»

  

Projekt «Profi auf Probe»

Hat gut lachen: Der 17-jährige Jean Leon Aeschlimann zählt zu den grössten Golftalenten der Schweiz. Bilder: Stefan Waldvogel

Der Thurgauer Jean Leon Aeschlimann gilt als eines der grössten Golftalente der Schweiz – nicht nur wegen seiner 1,91 Meter Grösse. Dieses Jahr unterbricht der 17-Jährige seine Sport-KV-Ausbildung und probt quasi das Leben als Golfprofi.

«Der Montag ist in der Regel mein einziger golffreier Tag», sagt der Junior vom Golfclub Lipperswil. Frei heisst im Fall von Jean Leon Aeschlimann allerdings nicht faul. Am Morgen spiele er meist gegen seinen Vater Tennis, am Nachmittag steht das gemeinsame Fitnesstraining mit dem Elitekader des Schweizerischen Golfverbandes auf dem Programm, erläutert der gross gewachsene U18-Nationalspieler im Gespräch. Klar, spiele er lieber Golf, statt sich im Kraftraum zu quälen. «Vom Golfen habe ich nie genug, es ist meine Leidenschaft. Mit meinem instabilen Rücken ist das richtige Krafttraining aber mitentscheidend, dass ich gut spielen kann», weiss Aeschlimann, der schon seit fünf Jahren im Swiss-Golf-Elitekader Zürich Nord bei Nora Angehrn trainiert. Die ehemalige Profispielerin schätzt sein Potenzial als «sehr hoch» ein. «Jean Leon hat mit seiner Postur sehr gute körperliche Voraussetzungen, er machte in letzter Zeit enorm viele Fortschritte und hat nicht zuletzt mit seiner Familie ein sehr gutes Umfeld», sagt die erfahrene Trainerin von Swiss Golf.

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Das Nachwuchstalent heute...
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...und als Zweijähriger, als er erstmals einen Golfschläger in Händen hielt. Bild: PD

Grosser Aufwand
Zum Glück sei er pensioniert, sonst wäre der Aufwand für die Trainings und die Reisen zu den vielen nationalen Turnieren kaum möglich, sagt Vater Erich Bissegger beim Gespräch vor dem Kadertraining im Golfclub Breitenloo. Die vier Stunden «überbrückt» er unter anderem mit ausgedehnten Schachpartien gegen einen guten Kollegen, danach fährt er mit seinem Sohn gut 40 Minuten nach Steckborn zurück. Wenn nicht gerade ein internationales Turnier auf dem Programm stehe, komme er auf einen Zeitaufwand von etwa 30 Stunden pro Woche, pro Jahr seien sie etwa 45 000 Kilometer gemeinsam im Auto unterwegs, sagt der Gründer der Frauenfelder Pianobar Grill & Wine. 

Schon in den vergangenen Jahren spielte Jean Leon Aeschlimann jeweils 25 bis 30 Turniere in der Saison. Diese dauern im Golf zwischen zwei und sechs Tagen (bei ganz grossen internationalen Amateur-Events). Bei jedem Turnier gehören zudem eine oder zwei Proberunden zur Vorbereitung. «Zuletzt war ich mehr weg als in der Schule. Das war der Auslöser für das Jahr Time-out in der Ausbildung. Für mich ist es ein persönliches Projekt, quasi ein Profi-Training auf Probe», sagt der Thurgauer nach drei Semestern an der Sportschule Kreuzlingen. Das vierte Schulhalbjahr ist für 2023 geplant, dann folgen noch zwei Jahre Praktikum. Danach habe er einen «normalen» KV-Abschluss und eine Ausbildung für den Fall B, falls es mit dem Traum als «Dauer-Profi» nichts werde, sagt er auf eine entsprechende Frage.

"Ich bin extrem froh um den Input der beiden Swiss-Golf-Elite-Trainer."

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Die ehemalige Profispielerin Nora Angehrn trainiert Jean Leon Aeschlimann bereits seit fünf Jahren im Swiss-Golf-Elitekader Zürich Nord.
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Der 1,91 Meter gross gewachsene Aeschlimann unterbricht seine KV-Ausbildung für ein Golf-Time-out.

Schon jetzt trainiert er viel mit seinem Clubkollegen und dem langjährigen Profi Benjamin Rusch, gemeinsam ist auch ihr persönlicher Coach Andrea Mantoan, Head-Pro im Golfclub Erlen. «Er ergänzt sich ideal mit Nora Angehrn, ich bin extrem froh um den Input der beiden Swiss-Golf-Elite-Trainer. Für mich ist es die perfekte Kombination», erzählt Aeschlimann.

Die zusätzlichen Trainings in der langen schulfreien Zeit haben sich offensichtlich bereits ausgezahlt. Seit dem ersten Sieg an einem grossen Turnier im März wird der 17-Jährige nun offiziell im World Amateur Golf Ranking aufgeführt. «Das war eines meiner Saisonziele, und zum Glück habe ich es schon früh erreicht. Nun kann ich an allen Turnieren weitere Punkte für die wichtige Weltrangliste sammeln», freut sich Aeschlimann über den guten Start. Kurz danach verbesserte er bei einem Swiss Golf Junior Tour Event in Oberkirch seinen eigenen Platzrekord auf 63 Schläge. Das sind gleich 8 Schläge weniger als der «Platzstandard». «Da habe ich, glaube ich, keinen einzigen Fehler gemacht, das gibt es im Golf bekanntlich ganz selten», blickt der Linkshänder auf die «Traumrunde» zurück. 
 

Nur Golf mit rechts
Lustiges Detail: Golf spielt er wie ein Rechtshänder, bei allen anderen Sportarten wie etwa Tennis, Tischtennis oder Fussball dominiert seine linke Seite. «Als ich zwei Jahre alt war, hat mir mein Vater die ersten Golfschläger gegeben, seither spiele ich so und profitiere wohl von einer starken linken Hand», sagt der gross gewachsene Multisportler. «Im Tennis musste ich zu viel rennen, da kommt mir Golf viel besser entgegen», lacht der 91 Kilo schwere Teenager. Die wöchentlichen Tennisduelle gegen seinen mittlerweile 74-jährigen Vater seien «ziemlich ausgeglichen», sagt der Nachzügler der Familie, der eine ältere Schwester hat, die in den USA lebt. Er selber haue mehr auf den Ball und sei im Tennis zu wenig präzise. «Mein Vater profitiert von der langjährigen Technik als Tennislehrer und als Interclub-Spieler, das ist fast schwieriger aufzuholen als beim Golf», erläutert Aeschlimann. Dort spielen Vater und Sohn bei ihren Matches in der Regel von unterschiedlichen Abschlägen aus. «Damit wird der Vorteil seiner viel längeren Schläge mindestens zum Teil ausgeglichen», sagt der sportliche und stolze Vater. Stefan Waldvogel