Anzeige

Trostloses Dasein in Schränken und Schubladen

Trostloses Dasein in Schränken und Schubladen

Swico hat in den letzten zehn Jahren 208000 Tonnen Eisen, 16,5 Tonnen Aluminium, 18000 Tonnen Kupfer, über 2 Tonnen Gold, 10 Tonnen Silber und 800 Kilo Palladium rezykliert. Bild: Swico

Swico vertritt in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft die Interessen etablierter Unternehmen wie Canon, Xerox oder Microsoft, aber auch von Start-ups. Mit dem Umwelt-Innovationsfonds unterstützt der Verband Projekte, welche die Kreislaufwirtschaft fördern und optimieren. Judith Bellaiche ist die Geschäftsführerin von Swico, wir haben bei ihr nachgefragt.

Kreislaufwirtschaft: Über zehn Millionen ausgediente Smartphones liegen in den Schubladen von Herrn und Frau Schweizer. Dass diese Geräte nicht zur Sammelstelle gebracht werden, hat mit Emotionen und Bequemlichkeit zu tun.

Wenn ausgediente Smartphones, Fernseher oder Laptops den Weg in die Elektroschrott-Mulde finden, liegt die Chance, dass sie auch richtig entsorgt werden, bei nahezu 100 Prozent. Rund 600 Sammelstellen in der Schweiz werden direkt von Swico betreut und beraten. «Wir sorgen dafür, dass zum Schutze der Mitarbeitenden die nötigen Sicherheitsrichtlinien eingehalten werden und auch dass keine Beraubung stattfindet – eine Sammelstelle ist kein Selbstbedienungsladen. Konsumentinnen und Konsumenten, die ihre ausgedienten Geräte zur Sammelstelle bringen, erwarten, dass wir unseren Job korrekt machen und ihr ausrangiertes Gerät wieder in den Kreislauf zurückgeht», so Judith Bellaiche.

Stoffflussmonitoring

Die Verträge von Swico mit den Recyclingunternehmen regeln die Abläufe der Rückgewinnung bis ins kleinste Detail: Es wird vorgeschrieben, mit welchen Methoden gearbeitet werden soll, und es findet ein Stoffflussmonitoring statt. Eine Warenkorbanalyse kontrolliert die Effizienz des Prozesses, sprich: Welche Geräte stehen am Anfang des Prozesses, was und wie viel wird daraus zurückgewonnen? Die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) kontrolliert das fein ausgependelte System. Spezialisten prüfen vor Ort, ob die Rückgewinnung effizient genug ist. Wenn die Vorgaben nicht erfüllt werden, muss der Prozess optimiert werden, und es findet eine weitere Kontrolle statt.

Trostloses Dasein in Schränken und Schubladen-2

"In der Schweiz ist die Nutzungsdauer der Smartphones wesentlich tiefer als deren Lebensdauer."

Judith Bellaiche
Geschäftsführerin Swico

Wenn man sich mit dem Thema Kreislaufwirtschaft von Konsumgütern befasst, kommt man unweigerlich zum Schluss, dass bereits bei der Herstellung von Geräten ein Fokus auf deren Betriebsende gelegt werden muss. Judith Bellaiche weiss: «Wir führen ein Board mit Vertretern aus vielen grossen ICT-Geräte-Herstellern. Sie haben alle das gleiche Interesse: eine möglichst grosse Kundenzufriedenheit. Die erreichen sie, indem sie robustere, leistungsfähigere und langlebigere Geräte produzieren. Sie bieten einen Reparaturservice an und suchen Lösungen, damit auch ältere Geräte mit neuer Software bespielt werden können.» Diese Massnahmen verlängern die Lebensdauer der Geräte deutlich. Ein Pilotprojekt aus dem Jahr 2020 zeigte, dass über 45 Prozent der Elektroaltgeräte lange vor Ende der Betriebsdauer ersetzt werden. Und genau dort sieht Judith Bellaiche ein riesiges Potenzial: «Die Verlängerung der Verwendungsdauer eines Gerätes ist ökologisch gesehen eine der effizientesten Massnahmen für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft. Das Schöne daran: Wir haben es selbst in der Hand, das ist für jeden von uns ganz einfach umsetzbar.»

"Das schlimmste Szenario ist für mich der Export ausgedienter Geräte in Drittweltländer, wo sie am Schluss auf Müllhalden landen."

Wo sind sie geblieben?

Die Zahlen lügen nicht: Die Differenz der Anzahl an verkauften Handys und Smartphones und jene der aktuell im Einsatz stehenden Geräte zeigt auf, dass schweizweit rund 10 Millionen unbenutzte Handys in Schubladen und Schränken liegen. Oft nicht defekt, sondern noch voll funktionstüchtig aber, so Judith Bellaiche: «Die Kaufkraft in der Schweiz ermöglicht vielen Menschen, dem Drang nach Neuem nachzugeben. Ich kann das nachvollziehen, verstehe jedoch nicht, wieso das alte Gerät nicht in den Rohstoffkreislauf zurückkommt.» Ein Pilotprojekt zu diesem Thema hat gezeigt, dass Emotionen und Bequemlichkeit für das Verhalten zuständig sind: Die vielen Ferienbilder mit Erinnerungen an schöne Momente sind auf dem alten Gerät wunderbar gespeichert. Wieso das also ändern? Ein kleiner Teil der ausgedienten Geräte wird privat verkauft, in der Familie oder unter Freunden weiterverschenkt oder bei Rückkaufaktionen als Anzahlung für ein neues Gerät investiert. Eine Situation liegt Judith Bellaiche besonders auf dem Magen: «Wenn ein Gerät – auf welchem Weg auch immer – unser Land verlässt, sinkt die Chance auf eine ordentliche Entsorgung bei Betriebsende massiv. Das schlimmste Szenario ist für mich der Export in Drittweltländer, wo die Geräte am Schluss auf Müllhalden landen und Kinder mit primitivsten und gesundheitsschädigenden Methoden versuchen, Gold, Silber oder Platin daraus zu gewinnen.»

Auch politisch ein Thema

Die Kreislaufwirtschaft mit einer effizienten Rohstoffrückgewinnung ist ein Kernthema von Judith Bellaiche. Dafür setzt sich die Nationalrätin auch politisch ein: «Die vorgezogene Recyclinggebühr wird von der Gesellschaft zu fast 100 Prozent akzeptiert. Deshalb funktioniert die Rückgewinnung von Rohmaterialien in der Schweiz so gut. Nicht nur von ICT-Geräten, sondern auch von Haushaltsgrossgeräten, Plastik, PET, Batterien oder Textilien.» Pläne des Bundes, die Organisation der Rückgabe der ICT-Geräte zu verstaatlichen, sind für Bellaiche nicht nachvollziehbar: «In unserer Branche läuft alles bestens, ich sehe absolut keinen Handlungsbedarf, wir sind sehr gut aufgestellt.» Helen Dietsche

Weitere Informationen und Wissenswertes zur Interessenvertretung der ICT- und Internetbranche unter www.swico.ch