Seit Beginn der Pandemie steht die Art und Weise, auf die sich Coronaviren übertragen, im Fokus der Wissenschaft. Aufgrund wachsender Erkenntnisse hat das Robert-Koch-Institut als Hauptübertragungsweg die respiratorische Aufnahme virushaltiger Flüssigkeitspartikel ausgemacht, die sich beim Husten, Niesen, Singen und Sprechen, ja sogar beim Ausatmen verteilen. Diese Aerosole können auch über längere Zeit in der Luft schweben, daraus schlussfolgert das Robert-Koch-Institut, dass der längere Aufenthalt in schlecht belüfteten Räumen die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung durch Aerosole auch über eine Distanz von mehr als zwei Metern erhöhen kann.
Als Parallele ist seit Jahrzehnten bekannt, dass Legionellen nicht durch das Trinken von infiziertem Wasser, sondern durch Aerosole, zum Beispiel beim Duschen, übertragen werden. Dabei macht sowohl bei Legionellen als eben auch bei SARS-CoV-2 «die Dosis das Gift», wie das Sprichwort sagt. Nur wenn die Konzentration der Aerosole – und somit der potenziell darin enthaltenen Krankheitserreger – ausreichend hoch ist, ist eine Infektion möglich. Es muss also das Ziel sein, die Aerosolkonzentration möglichst gering zu halten.
Abgesehen vom Rückhaltegrad der Gesichtsmaske ist ein effektiver Luftaustausch die wirksamste Massnahme. Durch das Einbringen von Frischluft wird die Dichte der Aerosole verdünnt. Diese Erkenntnis ist nicht neu, da der Zusammenhang zwischen Luftwechsel und Schadstoffkonzentration in Innenräumen (Viren, Bakterien, Pilze, VOC, Formaldehyd, CO2, Allergene etc.) seit Jahrzehnten bekannt ist. Schon 2003 untersuchten Rudnick und Milton den Zusammenhang zwischen Grippeinfektionen und der CO2-Konzentration in Schulklassen. Hierbei kam heraus, dass es umso weniger Ansteckungen mit Grippeviren gab, je geringer die CO2-Konzentration war. Bei einem CO2-Gehalt von 1000 ppm kam es zu fünf Ansteckungen, wohingegen es bei der doppelten Menge an Kohlendioxid (2000 ppm) zu zwölf Infektionen kam. Je höher der Luftwechsel und somit die Menge an zugeführter frischer Aussenluft, umso geringer ist die Konzentration an Schadstoffen und Aerosolen.
Die Universität Zürich hat 2020 im Rahmen der Studie «Küchenluft, Energie und Hygiene KLEH» in dreissig Wohnungen die Zuluft der Düsen untersucht und dabei über zwei Dutzend verschiedene Pilzarten gefunden, die wahrscheinlich durch die Aussenluft ins Gebäude gelangten. Die grosse Mehrheit davon sind aber harmlos und der hygienische Zustand der Zuluft kann als unbedenklich bezeichnet werden.
Kann die Fensterlüftung alleine den hygienisch notwendigen Luftaustausch sicherstellen? In den meisten Fällen ist dies nicht umsetzbar, da aufgrund von kalter einströmender Aussenluft oder lautem Strassenlärm häufig geöffnete Fenster inakzeptabel sind. Hierzu gibt es eine Vielzahl an Studien und Untersuchungen, in denen sich immer wieder diese Erkenntnisse zeigen. Das führt zwangsläufig zu dem Ergebnis, dass ein bedarfsgerechter hygienischer Luftwechsel nur durch eine Komfortlüftung erreicht werden kann. Diese muss logischerweise als Frischluftanlage mit Wärmerückgewinnung konzipiert sein, die keine Abluftpartikel in die Frischluft überträgt. Eine korrekte Aussenluftansaugung ist frei von kritischen Aerosolen. Im Gegensatz zur Fensterlüftung ist die Frischluft über Filter gereinigt.
Martin Kriegel, einer der führenden Experten für die Belüftung von Räumen an der Technischen Universität Berlin, zeigt daher Unverständnis für die noch immer zu geringe Verbreitung von Komfortlüftungen: «Früher mussten im Ofen von Hand Kohle oder Holz nachgelegt werden. Heute funktioniert die Heizung vollautomatisch. Dagegen findet die Lüftung immer noch sehr oft händisch statt, weil an der Lüftungsanlage gespart wird. Dabei reden wir über Grenzwerte, die wir seit hundert Jahren ignorieren. Und jetzt plötzlich, seit Corona aufgetaucht ist, ist das Gejammer gross. Es gibt nachweislich keine Ausbrüche, wenn die Belüftung gut ist. Da frage ich mich: Warum bauen wir heute noch immer Häuser ohne automatische Belüftung? Stattdessen reden wir von Smart-Home-Automatisierung.»
Quelle
www.energieinstitut.at/lufthygiene-undcorona