Anzeige

Eine Lösung für die Ewigkeit gesucht

«Wie bitte? Ein Endlager unter meinem Haus?»

Eine Lösung für die Ewigkeit gesucht

Ein Stollen im Felslabor Mont Terri, wo an der Entsorgung von Atommüll geforscht wird: Im Holzfenster ist der Opalinuston zu sehen, der sich zur Lagerung von Atommüll besonders eignet. Ungefähr so könnte man sich ein Stollen im zukünftigen Atommülllager vorstellen. Bild: Dieter Enz

Die Faktenlage in Sachen Atommüll lässt au orchen: Eine Million Jahre müssen die strahlenden Abfälle gelagert werden, bis sie für uns Menschen nicht mehr gefährlich sind – und über die Jahrzehnte hat sich so einiges an strahlendem Abfall angesammelt. So viel, dass die grosse Haupthalle des Zürcher Hauptbahnhofs bis oben gefüllt wäre. Rund 24 Milliarden Franken kostet dieses wohl grösste nationale Entsorgungsprojekt, dazu gehört auch der Rückbau der Kernkraftwerke, uns Strombezüger. Angesichts dieser Ausgangslage ist eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema fast schon Pflicht.

Entsorgung: Der Ausstieg aus der Atomenergie ist beschlossen, doch der nukleare Abfall bleibt. Weil eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft hier ausgeschlossen ist, betreibt die Nagra unter anderem bei jungen Menschen an Schulen Aufklärungsarbeit.

Im Auftrag des Bundes sucht die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) nach einem Endlager für die strahlenden Abfälle und betreibt parallel dazu Au lärungsarbeit, auch an Schweizer Schulen. Anlässlich der Veranstaltungsangebote der «TecDays» (siehe Kasten) können Schülerinnen und Schüler an Gymnasien einen Blick hinter die Kulissen werfen.

Eine Lösung für die Ewigkeit gesucht-2
Modell eines Tiefenlagers, rund 600 bis 900 Meter unter der Erde. Bild: Claudio Köppel

Entsorgungsmöglichkeiten werden geprüft

Felix Glauser von der Medienstelle der Nagra macht sich für den Online-Workshop an der Kantonsschule Menzingen im Kanton Zug bereit. 48 Schülerinnen und Schüler interessieren sich für das Modul «Atommüll: Gibt es die Lösung für die Ewigkeit?». Eigentlich stände Glauser jetzt vor den jungen Menschen im Schulzimmer und könnte ihnen dieses komplexe Thema näherbringen, doch die Pandemie erfordert seinen Auftritt online. Vier verschiedene Entsorgungsmöglichkeiten für atomare Abfälle, wie etwa das Versenken im Meer oder der Transport ins Weltall, stellt Glauser den Teilnehmenden vor. In einer Gruppenübung wägen die Schülerinnen und Schüler die Chancen und Gefahren der verschiedenen Möglichkeiten ab. «Die kostengünstigste Deponievariante wäre das Meer, darum haben viele Länder, darunter auch die Schweiz, früher dort Atommüll entsorgt», sagt Glauser. Mit dem heutigen Umweltbewusstsein sei dies nicht mehr denkbar. Verschiedene Vor- und Nachteile werden abgewogen, bis die Gruppe zum Schluss kommt: Ein Tiefenlager ist wohl die beste Alternative.

Auf der Suche nach dem perfekten Standort

Doch warum bietet gerade ein Depot im Erdinnern die perfekten Voraussetzungen für die Lagerung des Atommülls? «Voraussetzung ist das Vorkommen einer bestimmten Tonsorte mit dem Namen Opalinuston. Dieser ist wasserdicht, schliesst den radioaktiven Abfall gut ein und hält die radioaktiven Teilchen dank seinen Tonplättchen zurück.» Anhand eines Versuchs demonstriert Geograf Glauser vor der Kamera das Prinzip: In einem Behälter mit Tonpulver bleibt das Wasser obenauf, beim Sand sickert alles hindurch.

Eine Lösung für die Ewigkeit gesucht-3

"Die Entsorgung im Meer ist heute undenkbar."

Felix Glauser (30)
Mitarbeiter bei der Medienstelle der Nagra, Geograf und Workshopleiter

Seit Jahrzehnten ist die Nagra in allen Regionen der Schweiz unterwegs und untersucht die Gesteine und Gegebenheiten im Untergrund. Auf einer animierten Karte erläutert der Nagra-Spezialist, welche Gegenden für ein Endlager geeignet sind und welche nicht. «Nur in der Nordostschweiz sind wir fündig geworden.»

Zeitrahmen sprengt jegliches Vorstellungsvermögen

Die Nagra hat nach langer Suche nun drei mögliche Orte für ein Endlager gefunden. Doch bis die Stollen in 600 bis 900 Metern Tiefe wirklich in Betrieb genommen werden können, vergehen noch viele Jahrzehnte. «Wir beginnen 2045 mit dem Bau und bis 2075 sind alle Abfälle eingelagert», so Glauser. Nach einer 50-jährigen Beobachtungsphase könnten zukünftige Generationen im Jahr 2125 entscheiden, ob sie das Lager ganz verschliessen wollen oder noch nicht. «Wie ihr sehen könnt, arbeite ich also täglich an einem Jahrhundertprojekt, dessen Abschluss ich selbst nie erleben werde.» Monika Burri

«Wie bitte? Ein Endlager unter meinem Haus?»

In der Kantonsschule Menzingen nachgefragt

Eine Lösung für die Ewigkeit gesucht-4

«Bislang war ich von den verschiedenen Entsorgungsmethoden des Atomabfalls unbeeindruckt, doch durch den ‹TecDay› an der Kantonsschule Menzingen wurde mir bewusst, dass es doch eine Lösung mit sehr viel Potenzial gibt. Die Tiefenlager von der Nagra scheinen mir persönlich sehr seriös und vielversprechend zu sein. Dieses Projekt bietet aufgrund der detaillierten Vorgehensweise und sehr gut ausgearbeiteten technischen Sicherheitsbarrieren einen langfristigen Schutz für Mensch und Umwelt. Ob meine Mitmenschen mit dem Wissen leben könnten, dass sich unter unserer Wohnfläche eine Atomlagerstätte befindet, weiss ich nicht genau. In dieser Hinsicht bräuchte es vom Bund wie auch von der Nagra sehr viel Engagement und Innovation, um das Volk von den geologischen Tiefenlagern zu überzeugen. Ich persönlich vertraue auf dieses Projekt und könnte mir zurzeit keine bessere Lösung vorstellen.»

Marija Ugrinic, Klasse 4a
   

Eine Lösung für die Ewigkeit gesucht-5

«Das Atommülllager wird nach wissenschaftlichen Kriterien gewählt. Die ideale Voraussetzung dafür ist, dass eine Gesteinsschicht namens Opalinuston vorkommt. Dank des Opalinustons und anderen Gesteinsschichten sind die Abfälle unterirdisch isolierbar und halten im schlimmsten Fall die Strahlung des radioaktiv geladenen Materials auf. Daher sind im Moment auch aus meiner Sicht die unterirdischen Lager die sicherste Lösung. Die geologische Veränderung der Gesteine, in dem die Bohrungen stattfinden, ist berechenbar. Doch leider hat man nie die komplette Sicherheit über die Ereignisse in der Zukunft. Niemand weiss, was während dieser einen Million Jahre passieren wird – denn so lange strahlt der Atommüll radioaktiv. Daher würde ich mich nicht komplett sicher fühlen, wenn ein Atommülllager unter meinem Dorf eingerichtet würde.»

Federico Calzolaro, Klasse 2a

Technische Workshops der SATW an Gymnasien

Seit 2007 führt die SATW, die Schweizerische Akademie der technischen Wissenschaften, sogenannte «TecDays» und «TecNights» an Schweizer Gymnasien durch und unterstützt diese damit in der Technikbildung ihrer Schülerinnen und Schüler.

Während eines Tages besuchen alle Lernenden interaktive, technisch-naturwissenschaftliche Module, die Einblick in die Praxis geben und spannende Diskussionen mit Fachleuten ermöglichen. Seit 2007 haben mehr als 60 000 Schülerinnen und Schüler an rund 80 Gymnasien an einem «TecDay» mitgemacht. Über 800 Modulverantwortliche von mehr als 300 verschiedenen Organisationen haben Workshops oder Präsentationen durchgeführt.

www.satw.ch/tecday