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Wie ist es ...nur 64 Dinge zu besitzen?

Gedanken und Abenteuer

Wie ist es ...nur 64 Dinge zu besitzen?

Das ganze Hab und Gut auf einen Blick: 64 Dinge, die sich alle in einem Handgepäck verstauen lassen. Bild: zvg

Start-up-Investor, Entdecker, Essenzialist. Cédric Waldburger lebt kein Leben nach der Norm. Was er tut, tut er konsequent, bewusst und zielstrebig. Er mag Selbstexperimente und liebt es, sich in extreme Situationen zu begeben. «Mir ist es unbequem, wenn es zu bequem wird», so Cédric Waldburger. Dabei hat es ihm besonders die Reduktion auf das Wesentliche angetan – sei es bei seinen Fastenwochen, wenn er sich dazu entschliesst, morgens bloss noch kalt zu duschen, oder sich darauf beschränkt, nur simples Hahnenwasser zu trinken.

«Wie viel brauche ich, um glücklich zu sein?», fragte sich Cédric Waldburger und wagte ein Experiment. Aus dem Selbstversuch wurde ein Lebensstil in totaler Einfachheit.

Was glücklich macht

Der Weg zum Essenzialist startete bei Cédric Waldburger im hektischen New York. Damals war er gerade in der Grossstadt auf einer seiner vielen Businessreisen unterwegs, wo er als selbstständiger IT-Experte sein Wissen in jungen Techfirmen einbrachte. Via Zürich flog er anderntags nach Amsterdam weiter, nur um eine Nacht in seiner Wohnung zu verbringen, in der er kaum Zeit verbrachte. «Es war der Moment, an dem ich mein jetziges Leben zu hinterfragen begann: Was macht mich glücklich?» Nach seinem Studium der Elektrotechnik an der ETH Zürich arbeitete er bei einem international tätigen Grosskonzern und sah zu, wie seine Berufskollegen viel Geld verdienten und das Geld auch ausgaben. «Ist das der Sinn oder die Befriedigung im Leben? Je länger ich mich damit befasste, umso klarer wurde mir: Es sind nicht die Besitztümer, die mich bereichern, sondern vielmehr das (Sich-neu-kennen-)Lernen, tolle Projekte zu realisieren oder die Zeit mit interessanten Menschen zu verbringen.»

«Ich bin bekannt für meine Spinnereien.»

In Cédric Waldburger reifte der Entschluss heran, ein Experiment zu wagen: «Wie viel brauche ich eigentlich, um glücklich zu sein?» Doch wie gross war eigentlich das Hab und Gut, das er zu diesem Zeitpunkt das Seinige nennen durfte? Cédric Waldburger hatte überhaupt kein Gefühl dafür und begann seine Besitztümer in eine Excel-Liste einzutragen. «Als dies über drei Monate Zeit in Anspruch nahm, war ich bestärkt: Ich will mich vereinfachen.» Er entschlackte erstmals von 700 auf 130 Dinge. «In einem zweiten Schritt reduzierte ich auf 64 Dinge. Das passt wunderbar in mein Handgepäck.» Als vielreisender Mitbegründer und Investor von zahlreichen Onlinefirmen folgte daraufhin konsequenterweise die Entscheidung, ebenso die Wohnung zu kündigen und fortan als «Obdachloser» durch die Welt zu reisen. «Ich schlief in Hotels, mietete Wohnungen auf Zeit und kam bei Freunden unter.»

«Einfachheit ist ein menschliches Bedürfnis.»

Cédric Waldburger
Start-up-Investor, Entdecker und Essenzialist

Von Skepsis zu Interesse

«Schockiert war niemand in meinem Umfeld. Ich bin bekannt für meine Spinnereien», sagt Cédric Waldburger mit einem Lachen. Vielmehr spürte er eine gewisse Skepsis: Lange wird das nicht funktionieren. «Doch als Freunde, Familie und Bekannte sahen, wie zufrieden ich in meinem neuen Leben als Minimalist angekommen bin, begannen sich die Vorbehalte in Interesse zu wandeln.» Wie ist es denn, das Leben in Einfachheit? «Extrem befreiend.» So würden ihm keine Besitztümer unnötig Energie rauben und er gewinne kreative Freiräume, um seine Zeit in Menschen oder Projekte zu investieren.

Heute hat Cédric Waldburger gemeinsam mit seiner Lebenspartnerin zwar wieder einen festen Wohnsitz in der Nähe von Zürich, doch das bewusste Besitzen begleitet ihn weiterhin: «Die Wohnung ist klein und extrem einfach eingerichtet. Bilder an den Wänden gibt es beispielsweise keine.» Das simple Leben lässt Cédric Waldburger nicht so schnell los, denn er ist überzeugt davon: «Einfachheit ist ein menschliches Bedürfnis und in Zeiten des Überflusses, sei es materieller Natur oder in Form von Informationen im Netz, mehr denn je gefragt. Wir bewegen uns in einer Welt voller Ablenkung, die davon abhält, uns den essenziellen Dingen zuzuwenden.» Entsprechend will er diesen Lebensstil weiterhin führen, vertieft erforschen und dessen Möglichkeiten ausloten. «Spannend ist auch die Frage, wie funktioniert diese Lebensweise als Familie? Werden wir mit Kindern in das System zurückkehren müssen oder gibt es gar alternative Modelle?», so Cédric Waldburger.

Inspiration für andere

Der Blick weiterhin in die Zukunft gerichtet: Ist diese Lebensform, in Zeiten der Umwelt- und Klimakrise, ein möglicher Lebensentwurf für die westliche Gesellschaft? Schliesslich wird Suffizienz – weniger Konsum von materiellen Dingen, weniger fliegen und Auto fahren, weniger Fleisch essen und weniger energieintensiv wohnen – neben der Effizienzgewinnung als wichtiger Pfeiler diskutiert, um dem ressourcenintensiven Lebensstil beizukommen. «Der Schutz der Umwelt und des Klimas sind mir wichtige Themen. In der Schweiz bin ich zu Fuss oder mit dem ÖV unterwegs, doch aufgrund meiner beruflichen Aktivitäten sitze ich noch zu oft im Flieger, um meine Lebensweise als nachhaltig bezeichnen zu können – auch wenn ich meine Flugreisen CO2-kompensiere.» Und: «Ich möchte keinesfalls missionieren.» Dennoch freue er sich, wenn Menschen von seinem Leben als Essenzialist dazu angeregt werden, ihre eigene Lebensform zu hinterfragen oder gar inspiriert werden, selbst den Versuch zu wagen, in mehr Genügsamkeit einzutauchen. «Wo beginnen?» sei vielmals eine Frage, die er dann gestellt bekomme. «Ich rate, die Taschen zu packen. Eine Tasche, in der die wichtigsten Utensilien für den Alltag verstaut sind, als würde man damit in die Ferien verreisen. In einer oder mehreren Taschen wird all das verpackt, was nicht benötigt wird.» Wer nun 90 Tage aus dieser gepackten Reisetasche lebe, erfahre plötzlich am eigenen Leib, wie wenig es eigentlich brauche, und ja, dass die Reduktion auf das Wesentliche gar glücklich machen kann. Lea Marti

Gedanken und Abenteuer

Regelmässig informiert Cédric Waldburger via Blogs und Videobeiträge über Themen, die ihn als Start-up-Investor, Entdecker und Essenzialist beschäftigen. (lm)

Mehr Informationen unter www.cedricwaldburger.com
      

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