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The show must go on

The show must go on

Wären in Genf gewesen: Der Audi A3 in der Farbe Atoll Blue, BMWs elektrisch betriebener weisser 330e Touring, der rote Elektrosportwagen Vega EVX 640 und der spektakuläre, aber bereits ausverkaufte Bentley Mulliner Bacalar. Bilder: Tom Bauer, Wilfried Wulff, PD, Mark Fagelson Photography

Es ist ein Debakel. Die Absage des Genfer Auto-Salons (Gims) trifft nicht nur die Autohersteller hart, auch die Journalisten mussten in dieser Woche alles Geplante komplett über den Haufen werfen. So gab es anstelle der traditionellen Pressetage in den Palexpo-Hallen eine Reihe von Pressekonferenzen im Onlinestream. Statt sich vor Ort alles zeigen und erklären zu lassen, müssen Bits und Bytes reichen. «Geht doch auch so», werden nun all jene finden, die Messen als Präsentationsform totgesagt haben. Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit: All die wertvollen Treffen, die Gespräche und die kleinen Anekdoten, über die man am Genfer Salon jeweils gestolpert ist, können durch keinen Onlinestream ersetzt werden. Was kostet der Bentley?So begeben wir uns in diesem Jahr nur auf einen virtuellen Rundgang durch den Genfer Salon – hoffentlich zum ersten und letzten Mal. Der Volkswagen-Konzern, der grösste Autohersteller der Welt, wäre mit seinen Marken VW, Audi, Seat, Skoda und Porsche auch in Genf der Dominator gewesen und hat entsprechend viele Neuheiten in petto. Da ist der noch getarnte Elektro-SUV ID.4, der in diesem Jahr auf den Markt kommen soll. Oder der Touareg R: Das sportliche Topmodell ist ein Plug-in-Hybrid (PHEV) mit 462 PS und 44 Kilometern elektrischer Reichweite. Auch sonst bringen die Wolfsburger viele PHEV auf den Markt: Den VW Golf GTE, den Skoda Octavia RS, den Audi A3 oder den Seat Leon gibt es nun alle auch zum Einstecken.

Trotz Absage des Genfer Auto-Salons präsentieren die grossen Hersteller ihre Neuheiten. Nicht am Genfersee, sondern per Lifestream im Internet.

Porsche krönt den neuen 911 mit der Topversion Turbo S. Die Eckdaten: 650 PS, 0 bis 100 Kilometer pro Stunde in 2,7 Sekunden, 330 Kilometer pro Stunde Höchstgeschwindigkeit. Für eine Überraschung in Genf hätte VWs Edelmarke Bentley gesorgt: Der Mulliner Bacalar hat zwei Plätze und kein Dach, dafür aerodynamische Buckel hinter den Sitzen. Unter der langen Haube arbeitet ein Sechsliter-W12 mit 659 PS. Alle zwölf hergestellten Exemplare sind längst verkauft.

Neben weiteren Plug-in-Versionen von bestehenden Modellen wie etwa dem Mercedes-Benz GLA oder dem 3er-BW und neuen Elektromodellen wie dem Renault Twingo Z.E., dem Lexus UX 300e oder dem Fiat 500, der künftig nur noch mit Elektroantrieb angeboten wird, sind die grossen Neuheiten aber vorwiegend alte Bekannte. Hyundai hat die neue Generation des Kleinwagens i20 und den überarbeiteten Kompaktwagen i30 vorgestellt – ausserdem hätten die Koreaner mit der betörenden Studie Prophecy für ein Highlight am Genfer Salon gesorgt. Konzernschwester Kia wollte die vierte Generation des Sorento präsentieren: Der grosse SUV ist nun kantiger und vorwiegend für den amerikanischen Geschmack gestaltet. Mercedes-Benz hat die E-Klasse überarbeitet und dem GLA nicht nur einen Plug-in-Hybridantrieb spendiert, sondern auch als 45 AMG kräftig mit Leistung aufgemotzt.

Natürlich hätten auch komplett neue Modelle in Genf gezeigt werden sollen. Die Citroën-Tochter DS bringt mit dem DS 9 eine neue Baureihe an der Spitze der Modellpalette, eine schicke Oberklassenlimousine, die auch mit Plug-in-Antrieb angeboten werden wird. Toyota wollte die Messe nutzen, um den neuen SUV im B-Segment zu präsentieren, um den noch immer ein grosses Geheimnis gemacht wird. Ausserdem haben die Japaner den Kleinwagen Yaris komplett neu aufgelegt. Die Seat-Tochter Cupra wiederum hat mit dem Formentor ihr erstes eigenständiges Modell gezeigt, einen adretten Crossover, der auch als PHEV kommen wird.

Dann sind da die Super- und Hypercars von kleinen Herstellern, beispielsweise der Vega EVX aus Sri Lanka: ein elektrisch angetriebener Carbon-Sportwagen, der mit über 800 PS und einer Reichweite von 750 Kilometern 2022 in Produktion gehen soll. Noch eine Schippe drauf legt das Hypercar 21 C des neuen kalifornischen Herstellers Czinger: Der radikal ausgelegte Leichtbau-Sportwagen mit Hybridantrieb soll 1250 PS leisten und 1250 Kilogramm wiegen, in 1,9 Sekunden auf Tempo 100 sprinten und 400 Kilometer pro Stunde in wahnwitzigen 29 Sekunden erreichen. 80 Stück wollen die Amerikaner vom 21 C bauen, Preise sind noch nicht bekannt. Zahlenmässig übertrumpft wird der Czinger vom Pininfarina Battista Anniversario, der 1900 PS leisten und mindestens 2,6 Millionen Euro kosten wird – von ihm sollen nur fünf Stück gebaut werden. Neben den nur noch aufs Treibstoffsparen ausgelegten Grossserienmodellen sind die exquisiten Exoten also weiterhin gefragt.

Marken ohne Verluste

Und natürlich gilt es an dieser Stelle auch die zahlreichen Marken zu erwähnen, die gar nicht erst nach Genf gereist wären: Citroën, Ford, General Motors, Jaguar Land Rover, Lamborghini, Maserati, Mini, Mitsubishi, Nissan, Opel, Peugeot, SsangYong, Subaru, Tata, Tesla und Volvo wollten in diesem Jahr den Autosalon schwänzen. Sie können sich nun glücklich schätzen, da sie keinen finanziellen Verlust verbuchen müssen. Ob und in welcher Form die Gims im kommenden Jahr stattfinden wird, muss sich erst zeigen. Der Veranstalter zeigt sich optimistisch. «Wir werden alles daransetzen, dass der 91. Gims ein Erfolg wird», sagt der scheidende Salon-Direktor Olivier Rihs. «Ich hoffe, wir sehen uns alle 2021 wieder.» Dave Schneider