Der Schweizer Automarkt stöhnt: Nach sieben Monaten im Corona-Jahr 2020 verzeichnet der Gesamtmarkt ein Minus von 31,1 Prozent. Mit Porsche hat es nur gerade eine von 38 Marken geschafft, ein rotes Minus in der Statistik zu vermeiden, sie weist ein Plus von 19,9 Prozent aus.Auch Renault liegt hinter dem Vorjahresergebnis zurück – aber mit minus zehn Prozent halten sich die Franzosen gut. Nur Mini machte es mit minus 5,7 Prozent in den ersten sieben Monaten noch ein wenig besser.Und nun soll Technik aus der Formel 1 für noch mehr Beschleunigung an der Verkaufsfront sorgen. Denn auch wenn die Formel 1 aus sportlicher Sicht in den vergangenen Jahren an Spannung eingebüsst hat, fasziniert die Technik nach wie vor. Und die Hersteller nutzen die in der F1 gewonnenen Erkenntnisse regelmässig für die Entwicklung ihrer Serienfahrzeuge.
Renault hat bereits drei erfolgreiche Elektroautos am Start. Jetzt kommen drei Hybrid-Modelle dazu – mit einem Getriebe aus der Königsklasse des Automobil-Rennsports.
Mehr Fahrspass dank Plus an Power
Dieser Technologietransfer wirkt sich nicht nur positiv auf die Autos aus, er lässt sich auch gut vermarkten. Denn wer hat nicht gern ein bisschen Formel-1-Technik an Bord?
Renault stattet die drei Verkaufsschlager Clio, Captur und Mégane Grandtour gleichzeitig mit dem von der Rennserie abgeleiteten Multi-Mode-Getriebe aus und kombiniert es mit Hybridantrieben. Beim Clio handelt es sich um einen Vollhybrid, der während des Bremsens Energie rekuperiert, bei den anderen Modellen um Plug-in-Hybride, deren Batterie auch an der Steckdose aufgeladen werden kann.
Die Franzosen zählen ohnehin zu den Pionieren der modernen Elektromobilität und haben bereits die Stromer Zoe, Twingo Z.E. und Kangoo Z.E. im Sortiment. Die meistverkauften Modelle – Clio, Captur und Mégane Grandtour – setzt Renault nun mit dem Hybridkonzept E-Tech zumindest teilweise unter Strom. So kann der CO2-Ausstoss der gesamten Flotte spürbar reduziert werden.
Bei Renault Schweiz rechnet man damit, dass sich in Zukunft bis zu 80 Prozent der Käufer dieser drei Modelle für die Hybridversion entscheiden werden. Denn dieses Trio ist nicht nur umweltfreundlicher, sondern verspricht dank dem Plus an Power auch mehr Fahrspass. Claude Gregorini, Direktor von Renault Schweiz, verweist in diesem Zusammenhang auf die Entwicklung des Marktanteils der elektrifizierten Autos in Europa: «2016 lag dieser Wert erst bei 2,8 Prozent. Heute fahren rund 18 Prozent der Neuwagen ganz oder teilweise mit Strom.»
In der Schweiz dürfte dieser Anteil bis Ende 2020 gar auf 25 Prozent ansteigen, sagt Gregorini, «und das ganz ohne Subventionen ». Bei der Entwicklung des Hybridkonzepts haben die Renault-Ingenieure aber nicht einfach einen bestehenden Verbrenner mit einem Elektromotor gekoppelt. «Die Herangehensweise war genau umgekehrt », erklärt Simon Platz, der bei Renault Schweiz für die elektrifizierten Modelle verantwortlich ist. «Der in allen drei Modellen verwendete 1,6-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 91 PS dient hauptsächlich als Generator und speist zwei E-Motoren.» Nur wenn viel Leistung gefragt ist, wie beim starken Beschleunigen, oder wenn die Batterie leer ist, werden die Räder auch direkt vom für seinen neuen Einsatzbereich komplett überarbeiteten Benzinmotor angetrieben.
Das Herzstück ist aber das erwähnte Multi-Mode-Getriebe aus dem Rennsport, ein sogenanntes Klauengetriebe, das alle Motoren miteinander verbindet und untereinander optimal abstimmt. «Es erlaubt automatische und nahtlose Gangwechsel, wählt immer den richtigen Modus aus und übernimmt das Energiemanagement», erklärt Simon Platz.
Das System funktioniert tadellos, wie sich bei Probefahrten im Zürcher Unterland zeigte. Losgefahren wird mit den drei Hybrid-E-Tech-Renaults immer elektrisch. Bei zurückhaltender Fahrweise bleiben die Autos stets im E-Betrieb, selbst wenn es leicht bergauf geht. Wer bewusst nur elektrisch fahren will, wählt den entsprechenden Modus aus. Mit den Plug-in-Hybrid-Modellen soll man gemäss Herstellerangaben im Elektrobetrieb bis zu 65 Kilometer weit fahren können.
Der Modus «B» bremst ab bis zum Stillstand
Energie kann auf drei Arten zurückgewonnen werden: wenn der Fahrer den Fuss vom Gaspedal nimmt und wenn er das Bremspedal benutzt. Am stärksten rekuperieren die E-Tech-Modelle im Modus «B», der spürbar stärker verzögert und bis zum Stillstand abbremst. Mit ein bisschen Übung lassen sich Clio, Captur und Mégane Grandtour so nur durch die Betätigung des Gaspedals fahren. Dafür muss man kein Formel-1-Pilot sein.
Positiv: Trotz der zusätzlichen Technik an Bord sind die Hybrid-Fahrzeuge von Renault nur wenig schwerer als die Verbrenner des gleichen Modells. Ausserdem sind beim Platzangebot im Innenraum und beim Kofferraumvolumen keine Abstriche zu machen. Gute Gründe also, dass die Franzosen mit ihren drei elektrifizierten Bestsellern schon bald als eine der nächsten Marken bei den Verkäufen in der Schweiz ins Plus fahren. Für die Poleposition wirds aber wohl trotz F1-Power nicht reichen. Michael Baumann
Renault Captur E-Tech Plug-in-Hybrid
Masse: Länge 4,23 Meter, Breite 1,8 Meter, Höhe 1,58 Meter, Radstand 2,64 Meter
Kofferraumvolumen: 395–1334 Liter
Gewicht: 1700 Kilogramm
Motor: 1,6-Liter-Benziner/2 E-Maschinen
Batteriekapazität: 9,8 kWh
Leistung: Total 118 kW / 160 PS, Elektromotor 49 kW / 67 PS
Drehmoment: 144 + 205 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 173 km/h
Beschleunigung: 0 – 100 km/h in 10,1 Sekunden
Max. Reichweite: 65 Kilometer (rein elektrisch)
Preis: ab Fr. 38 100 (mit Bonus ab Fr. 34 100)