Anzeige

Erste Hilfe für den Hoffnungsträger

VW ID.3 wird überarbeitet. Mit einem vorgezogenen Facelift reagiert Volkswagen auf die Kritik am elektrischen ID.3, dem vermeintlichen "Golf für die Generation E".

Erste Hilfe für den Hoffnungsträger

Aufgehübscht: VW hat den elektrischen ID.3 innen und aussen zum Teil komplett erneuert. Bilder: VW

Der ID. Buzz gerade auf dem Weg in den Handel, der ID.7 noch nicht fertig und mit dem ID.2 als kommendem Volksstromer das womöglich wichtigste Modell noch vor der Brust-über einen Mangel an Beschäftigung können sich die Entwickler in Wolfsburg derzeit nicht beklagen. Und trotzdem mussten sie jetzt noch ein paar zusätzliche Überstunden am Modularen Elektro-Baukasten (MEB) machen und sich dabei den elektrischen Erstling noch einmal vornehmen. Denn schon nach rund 30 Monaten zaubert VW einen "neuen", nun ja, zumindest gründlich überarbeiteten ID.3 aus dem Hut.

Zu laut war die Kritik am "Golf für die Generation E" und zu mässig sein Erfolg, als dass die Wolfsburger noch länger mit einem Update hätten warten wollen. Mässiger Erfolg: 2022 verkaufte VW in der Schweiz 1632 Exemplare des ID.3, während Tesla als Nummer 1 in derselben Zeitspanne 4928 Fahrzeuge immatrikulieren konnte. Dass zudem sowohl im Konzern als auch bei der Marke jemand neues auf dem Chefsessel sitzt, hat das Tempo sicher beschleunigt. Deshalb zieht VW jetzt das Tuch vom grossen Facelift, sammelt neue Bestellungen ein und verspricht die Auslieferung ab dem letzten Quartal.

Bei Design und Innenraum alte Werte vergessen

Sieht man von den leidigen Software-Bugs einmal ab und vom ständigen Freeze des Systems, gibt es an der Technik dabei nicht einmal viel zu mäkeln. Und weltweit 600 000 Elektroautos seit dem Start der ID-Offensive sind ja auch nicht schlecht. Doch vor allem beim Design und beim Innenraum haben sich die Entwickler von den Controllern das Heft aus der Hand nehmen lassen. Denn für die Kritiker bot insbesondere der Innenraum des ID.3 eine vom Rotstift der Kostenkiller zur Karikatur alter Werte zusammengestrichene Performance.

"So ganz ausräumen kann Volkswagen die Kritik noch nicht."

"Wir haben verstanden", lautet deshalb die Botschaft des neuen Markenchefs Thomas Schäfer, der wieder mehr auf Kunden als auf Buchhalter hören will. Deshalb geht es gar nicht um den Antrieb, der mit dem 204-PS-Motor im Bug und den wahlweise 58 oder 77 kWh grossen Akkus für (theoretisch) maximal 546 Normkilometer unverändert bleibt und in ein paar Monaten um den GTX als GTI der Neuzeit mit weit über 300 PS und Allradantrieb ergänzt wird. Sondern es geht vor allem um eine komplett erneuerte Front ohne die schwarze Kunststoffblende, mehr Konturen auf der Frontklappe und mehr Charakter rundum. Und es geht vor allem um das Cockpit, das jetzt endlich keine billige Plastikwüste mehr sein mag und sich unterschäumte Kunststoffe und schmucke Ziernähte leistet. Wobei es fraglich ist, ob es den Werten dient und der Wertigkeit schadet, wenn ein Kunststoff den Lederbezug am Lenkrad ersetzt, weil VW jetzt auf einen tierfreien Innenraum schwört.

Updates gibt es künftig "over the air"

Den grossen Bildschirm gibt es jetzt serienmässig.
Den grossen Bildschirm gibt es jetzt serienmässig.

Parallel zu den Materialien hat VW auch die Ausstattung aufgewertet, den grossen Bildschirm jetzt in den Serienstand erhoben, zwei Cupholder zwischen die Sitze geschraubt und allen Kunden den herausnehmbaren Ladeboden im Kofferraum spendiert. Serienmässige Funktionen wie Plug & Charge, bei der sich das Auto mit dem Einstecken des Ladekabels an einer Säule authentifiziert und den Ladevorgang startet, sowie der intelligente E-Routenplaner sorgen im neuen ID.3 für ein noch einfacheres und komfortableres Laden. Updates gibt es künftig "over the air", sodass zukünftige Kunden auch ohne Boxenstopp in der Werkstatt auf dem neuesten Stand bleiben. Ausserdem ist der ID.3 gerüstet fürs bidirektionale Laden im eigenen Haushalt.

Und noch ein Problem adressiert VW bei der Modellpflege: die langen Lieferzeiten. Um endlich der Nachfrage Herr zu werden, bauen die Wolfsburger den ID.3 künftig nicht nur in Zwickau und Dresden, sondern holen ihn zudem ins Stammwerk nach Wolfsburg. Eine kurzfristige Entspannung ist davon aber nicht zu erwarten, muss Volkswagen einräumen: Wer jetzt bestellt, kann frühestens im letzten Quartal des Jahres mit seinem neuen Auto rechnen.

Ja, sie wollen bei VW das Ohr jetzt zwar wieder ganz nah an der Stimme des Volkes haben und wiederholen mantragleich, dass sie verstanden haben. Doch so ganz ausräumen können sie die Kritik noch nicht. Denn bis es den lautstark geforderten XL-Bildschirm und mit ihm endlich auch eine Beleuchtung für die leidige Slider-Leiste zur Bedienung von Lautstärke und Klimaanlage gibt, dauert es noch einmal ein Jahr-vor Sommer 2024 ist damit nicht zu rechnen, wie die Verantwortlichen zugeben. Thomas Geiger