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Der Weg ist das Ziel

Die Deutschen bauen jetzt auch Elektroautos in den USA - der SUV macht dabei den Anfang. Was das neue Modell kann, musste es bei einer Fahrt auf den Pikes Peak zeigen.

Der Weg ist das Ziel

Rein elektrisch: Der EQS SUV bietet Komfort und Fahrspass für bis zu sieben Personen, auch auf «Americas Mountain». Bild: PD

"14 115 Feet" steht auf einem Schild auf dem Gipfel. Das sind 4302 Meter über Meer und somit höher als Eiger, Mönch und Jungfrau. Doch nach Berggipfel sieht es gar nicht aus, hier oben auf dem Pikes Peak. Auf der flachen Kuppe gibt es - natürlich - ein Touristenzentrum mit Souvenirshop und Restaurant sowie einen grossen Parkplatz. Das ist eine der Besonderheiten von "Americas Mountain», wie der hohe Berg im Bundesstaat Colorado im Volksmund genannt wird: Man kann locker mit dem Auto hochfahren, bis auf den Gipfel. Dieser Umstand hat den Pikes Peak weltweit bekannt gemacht, denn seit 1916 werden auf dieser Strasse Bergrennen ausgetragen - das berühmte Pikes Peak International Hill Climb, das "Rennen zu den Wolken".

Die kurvige, wunderbar ausgebaute Bergstrasse in Rekordtempo hochzujagen, ist im Alltag natürlich nicht möglich. Es gilt die normale Strassenverkehrsordnung, das Tempolimit beträgt meist 20 Meilen pro Stunde, also gut 30 Kilometer pro Stunde, und daran halten sich die Amerikaner ziemlich strikt. Gerade ältere Semester sollten den Berg ohnehin mit Bedacht angehen, um sich an die enorme Höhe gewöhnen zu können - einige amerikanische Touristen sind deshalb mit portablen Sauerstoffflaschen ausgerüstet, von denen sie sich gelegentlich einen "Schuss" gönnen. Vor allem aber gibt es entlang der Strecke meist keine Leitplanken und auch keinen Platz für Fahrfehler - die Rennfahrer, die diesen Berg im Renntempo bezwingen, schweben während der Kurvenhatz fast permanent in akuter Lebensgefahr. Kaum auszudenken, wie das vor über hundert Jahren war, als die Bergstrasse noch nicht asphaltiert war und die Bremsen am Auto etwa so wirksam waren, wie wenn man beim Velofahren die Füsse auf den Boden hält.

Leistung und Platz in Hülle und Fülle

Deutlich moderner und um Welten komfortabler ist da die Fahrt im neuen Mercedes EQS SUV. Flüsterleise schnurrt der riesige Elektro-SUV den Pikes Peak hoch, während die Insassen das Panorama durch die grossen Fensterflächen geniessen und von der Luftfederung, vom hohen Sitzkomfort und von den vielen Luxus-Features verwöhnt werden. Verbrennungsmotoren büssen in dieser Höhe wegen des geringen Sauerstoffgehalts in der Luft an Leistung ein Elektromotoren nicht. Doch Power hat dieses Auto ohnehin im Überschuss: In der erprobten Topvariante 580 4-Matic erzeugen zwei Elektromotoren zusammen eine Leistung von 400 kW/544 PS. Damit katapultiert sich der leer über 2,7 Tonnen wiegende Koloss in 4,6 Sekunden auf Tempo 100. Aber auch die Basisvariante 450 4-Matic mit Allradantrieb ist mit einer Leistung von 265 kW/ 360 PS und einer Beschleunigungszeit von 6,7 respektive 6 Sekunden gut aufgestellt.

Der EQS SUV basiert, wie es der Name verrät, auf der Elektrolimousine EQS. Mit einer Länge von 5,13 Metern ist der SUV aber etwas kürzer, weil so die Proportionen besser stimmen. Dank (optionaler) Hinterachslenkung ist der Wendekreis allerdings auf Kompaktklasse-Niveau - es ist verblüffend, wie agil und wendig dieses riesige Auto ist. Die gesamte Technik samt Motoren, Assistenzsystemen und Batterie sowie das Cockpit mit dem sich über fast die gesamte Innenraumbreite erstreckenden "Hyper-Screen" stammen von der Limousine. Natürlich bietet der SUV deutlich mehr Platz: Der hohe Aufbau bietet Raum für eine dritte Sitzreihe, der Kofferraum variiert zwischen 195 Litern, wenn alle sieben Plätze genutzt werden, und 2100 Litern mit komplett umgeklappten Rücksitzen. Damit kann auch eine grosse Familie bequem in die Ferien fahren. Und lange Fahrten sind dank der riesigen Batterie mit 108,4 kWh Kapazität kein Problem: Die getestete Topvariante schafft eine maximale WLTP-Reichweite von 594 Kilometern und damit mehr als viele Autos mit Verbrennungsmotor, das Basismodell schafft 602 Kilometer. Geladen wird mit bis zu 200 kW-in 15 Minuten können so rund 250 Kilometer Reichweite "nachgetankt" werden.

Abwärts rund 50 Kilometer zurückgewonnen

Nach einem raschen Kaffee auf 4300 Metern und den obligaten Selfies geht es wieder runter. Elektroautos rekuperieren beim Bremsen und beim Abwärtsrollen, gewinnen also Energie zurück. Der EQS SUV rekuperiert mit maximal 290 kW - da müsste auf einer so langen Abfahrt mit einem derart schweren Auto einiges an Reichweite herauszuholen sein. Und tatsächlich: Auf dem Gipfel zeigt der Bordcomputer einen Akku-Stand von 45 Prozent und eine Restreichweite von 245 Kilometern an. Während der fast 30 Kilometer langen Abfahrt wurde die Batterie um 15 Prozent gefüllt, was einer zusätzlichen Reichweite von rund 50 Kilometern entspricht.

Wie andere Mercedes-Modelle kann der EQS SUV intelligent rekuperieren, indem das Fahrzeug vorausschauend "segelt" oder verzögert, vor Kurven etwa (mit aktivem Navi) oder hinter einem vorausfahrenden Auto - das ist nicht nur effizient, sondern nach kurzer Angewöhnung auch komfortabel.

Während der Pikes Peak langsam im Rückspiegel verschwindet, steht nun noch ein kurzer Abstecher ins Gelände auf dem Programm - denn auch abseits der Strasse bewegt sich der XXL-Elektro-SUV souverän und ist mit einem ausgeklügelten Offroad-Programm ausgestattet, auch wenn kaum ein Käufer seinem EQS SUV so etwas zumuten würde.

Auf der Rückfahrt nach Denver wird es Zeit für ein Fazit. Der EQS SUV beherrscht jedes Terrain, ist trotz seiner Grösse wendig genug für die Stadt, enorm komfortabel auf der Autobahn und trittsicher im Gelände. Über seine Ausstattung und die schier endlosen, teilweise innovativen Komfort-Features gäbe es noch viel zu erzählen, zusammengefasst kann man sagen: Das Modell wird dem Anspruch von Mercedes, die besten Autos der Welt zu bauen, sicher gerecht. Die Preise sind entsprechend: Los geht es ab 145200 Franken, das getestete Topmodell ist ab 181200 Franken erhältlich.

Und noch etwas wurde auf dem Ausflug klar: Auch in den USA kann man inzwischen gut mit einem Elektroauto unterwegs sein. Sogar bis in eine Höhe von 4300 Metern. Dave Schneider