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Emissionslos durch die Nacht

Seat Mii electric

Emissionslos durch die Nacht

In der Stadt ist der Seat Mii electric zu Hause. Längere Strecken mit ihm können hingegen schnell zum Abenteuer werden. Bild: Seat

Da steht man dann, futtert Cherrytomaten aus einer Plastikschale, trinkt einen dieser Eiweissshakes und telefoniert mit seiner Mutter, während sich der Parkplatz mehr und mehr leert, im Nirgendwo am Rande von Thusis. «Ja, alles gelaufen. Fahre gleich weiter. Salü.»20 Uhr ist um, jetzt müsste die Ladung eigentlich abbrechen. Der Discounter, zu dem der Schnelllader gehört, hat gerade die Türen geschlossen. Aber der Strom fliesst munter weiter in die Batterie des Seat Mii electric. Wertvolle Minuten vergehen, war die Ankunft am Tankstopp doch später als geplant.Rückblende: Um 17.30 Uhr sind wir in Winterthur losgefahren, nach einem normalen Arbeitstag, mitten im Abendverkehr. Das Unternehmen ist gewagt. Mit dem neuen Seat Mii electric, Reichweite laut Werk 250 Kilometer, soll es hochgehen bis ins 215 Kilometer entfernte Sils Maria und dann zu Fuss weiter, eine halbe Stunde bis ins Val Fex. Eintreffen im Ferienhaus spätestens um 22 Uhr.

Der Seat Mii electric ist mit einer Reichweite von etwas über 200 Kilometern als Stadt- und Pendlerauto konzipiert. Was aber passiert, wenn man ihn auf die Langstrecke zwingt?

Was die Sache kompliziert macht: Die Batterie muss im Oberengadiner Bergdorf noch halb voll sein. Denn die Ladeinfrastruktur im Tal ist dürftig, die Säulen stehen hinter Schranken auf Hotelanlagen, bei 22 kW Ladeleistung ist Schluss. Da tanken wir lieber auf dem Rückweg in Chur, was sich mit einem Stück Kuchen im neoklassischen Café des Kunstmuseums verbinden lässt.

Tankstopp bei Lidl

Auf dem Hinweg steht und fällt alles mit dem Tankstopp in Thusis. Der Schnelllader bei Lidl vereint alle Vorteile: Er ist ohne Umweg erreichbar, lädt mit bis zu 50 kW und erst noch gratis. Und sollte er besetzt oder ausser Betrieb sein, gibt es an der Tanke vis-à-vis noch einen weiteren. Wir haben Glück. Der CCS-Stecker an der Säule ist frei. Die Batterie steht nach einer Sparfahrt mit Tempo 100 auf der Autobahn und ausgeschalteten Nebenverbrauchern noch bei 40 Prozent. 19.30 Uhr ist um, als der Strom zu fliessen beginnt.

32 kWh fassen die Akkus im Fahrzeugboden, 40 Kilowatt beträgt die maximale Ladeleistung, 80 Prozent lassen sich so in einer Stunde nachtanken. Es sind die Kennzahlen für die beiden einzigen Varianten des Mii electric in der Schweiz. 24 100 Franken kostet der kleine Seat hier mindestens. In anderen Märkten gibt es eine günstigere Version, die nur mit Wechselstrom und also langsamer lädt, was für alle, die nur in der Stadt fahren und zu Hause tanken, allerdings genügt.

Auch am Schnelllader gilt: Ein E-Mobil tanken bedeutet Zeit totschlagen. 25 Minuten schlendern wir durch den Discounter. Studieren Tüten in Kisten, Büchsen, Tiefkühlprodukte. Vertraute Marken, billig präsentiert. Dann stehen wir auf dem Parkplatz, bis die Batterie über 90 Prozent anzeigt. Schliesslich geht es weiter. Emissionslos durch die Nacht.

Es ist kalt geworden. Die Heizung lassen wir trotzdem aus, sie wird direkt aus der Batterie betrieben, würde zu viel Strom ziehen, einen Wärmetauscher hat der Mii electric nicht. Immerhin das Radio läuft. Es kommt mit DAB+ ab Serie. Ein Navigationsgerät fehlt, dafür gibt es auf dem Armaturenbrett eine Halterung fürs Handy. Das wirkt hausbacken, ist aber praxistauglich. Nur Radio hören und dabei die Google-Navigation über die Lautsprecher betreiben geht nicht.

Ein bisschen Spass

Über den Julier macht der Seat sogar ein bisschen Spass. Gebremst wird fast nur über die Rekuperation, die sich in Stufen schalten lässt, mit dem stets maximalen Drehmoment von 212 Newtonmetern stürmt der Kleine wie ein übermütiger Bergsteiger aus den engen Kehren. Mit 2,41 Metern hat er für die Kugelbahn das richtige Format. Auf dem Rückweg werden wir in dem 3,6 Meter langen Auto auch ein Baby im Maxicosi, einen Kinderwagen und das Reisegepäck für zwei Erwachsene mitführen müssen. Wieder ist da die Frage, ob das wohl gut gehen wird?

Simple Antwort: Es wird. Und auch das Tagesziel erreichen wir. Fast auf die Minute um 21.30 Uhr stellen wir den Mii electric in der grossen Parkgarage in Sils Maria ab, wo die Behörden dann doch bitte mal eine Ladestation einrichten könnten. Die Batterie hat noch 51 Prozent. Das reicht auf dem Rückweg locker bis Chur. Auf dem Fussweg hoch ins Fextal reflektiert der Schnee das Mondlicht.

Die Gedanken kreisen. Taugt der Mii electric also doch als Langstreckenauto? Na ja. Nach Italien würden wir damit nicht fahren, dafür sind Reichweite und Ladegeschwindigkeit zu gering, und der Batterie fehlt für mehrmaliges Nachladen eine entsprechende Kühlung. Aber um Ziele in der Schweiz anzufahren, reicht dieses Auto alleweil. Marc Leutenegger

Seat Mii electric

Modell: Elektro-Kleinwagen
Masse: Länge 3556 mm, Breite 1645 mm, Höhe 1481 mm, Radstand 2421 mm
Kofferraum: 251 bis 959 Liter
Motoren: Elektromotor mit 61 kW (83 PS)
Fahrleistungen: Von 0 auf 100 km/h in 12,3 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit 130 km/h
Verbrauch (Werk): 16,4 kWh/100 km
CO₂-Ausstoss (Werk): 0 Gramm pro Kilometer
Preis: Ab 24 100 Franken
Infos: www.seat.ch

Plötzlich ein Hit

Der Seat Mii electric basiert auf dem baugleichen VW e-Up. War dessen erste Generation noch ein Ladenhüter, ist die überarbeitete Fassung insbesondere im Heimmarkt Deutschland zum Verkaufsschlager avanciert, und mit ihr die Konzernbrüder von Seat und Skoda. Die Gründe dafür sind eine nun alltagstaugliche Reichweite und der Preis, der dank Subventionen klar unter 20 000 Euro zu liegen kommt.

Auch in der Schweiz gibt es Vergünstigungen, allerdings deutlich bescheidenere. Mehrere Kantone wie etwa der Kanton Zürich erlassen den Haltern von Elektromobilen die Fahrzeugsteuer oder kennen einen reduzierten Satz. Einzelne Kommunen schütten auch Kaufprämien aus, beispielsweise Nyon oder Prilly. Wer sich für einen Seat Mii electric, einen e-Up oder einen Skoda Citigo e iV. interessiert, muss aktuell aber Geduld aufbringen. Die Nachfrage wirkt sich auf die Lieferzeiten aus, teilweise wurden die Bestellungen ausgesetzt, vor 2021 ist ein Neuwagen auf konventionellem Weg nicht zu bekommen. (mcl)