Als sportlicher Snob hat man es auch nicht leicht. Eben noch im Aston Martin Vantage oder DB9 über die Rennstrecke gefegt oder über den Boulevard gebummelt, und jetzt zwingt einen die familiäre Pflicht in ein Fremdfabrikat. Denn weder zum Einkaufen noch zum Transport des Nachwuchses geschweige denn für gewichtige Hobbys wie Segeln oder Reiten waren die Sportwagen aus Gaydon bislang zu gebrauchen. Doch weil es die Briten leid waren, ihre Kunden – und sei es auch nur zeitweise – in einen Range Rover oder schlimmer noch in einen Bentley Bentayga wechseln zu sehen, wagen sie sich jetzt selbst auf die SUV-Welle und bauen mit dem DBX den ersten Aston, der vollumfänglich für den Alltag taugt. Die Produktion hat bereits begonnen, und allen Corona- und Brexit-Querelen zum Trotz kommt der Sportler in diesem Herbst zu Preisen um die 240000 Franken in den Handel.Anders als die Konkurrenz entfernt sich Aston Martin damit allerdings nicht ganz so weit von seinen Wurzeln. Denn auch wenn der DBX auf seiner neuen Plattform stolze 5,04 Meter misst und vor allem von hinten eher unkonventionell aussieht, wirkt er flacher und filigraner als ein Bentayga und eleganter als ein Lamborghini Urus, denn auch in Feld, Wald und Wiese bewahren die Briten ihren unnachahmlichen Stil.
Weil eine Sportwagenfirma ohne SUV offenbar nicht überlebensfähig ist, wagt sich nun auch James Bonds Hausmarke Aston Martin mit dem DBX ins Gelände.
Grosszügiger Kofferraum
Selbst wenn der DBX der zierlichste unter den luxuriösen Geländewagen ist, bietet er den Insassen dennoch mehr Platz als jeder Aston vor ihm. Vorn steigen jetzt auch hüftlahme Besserverdiener bequem ein, und wo der Fond selbst im viertürigen Aston Martin Rapide nur ein schlechtes Alibi für Familienfreunde war, können hier bei 3,06 Meter Radstand auch Kinder sitzen, wenn sie auf die Matura zugehen. Und bei 632 Liter Kofferraum taugt der DBX auch als Einkaufswagen oder Ferienauto.
Dass man den DBX trotzdem nicht mit anderen Familienkutschen vergleichen kann, liegt zum einen an der etwas eigenwilligen Ausstattung. Denn so liebevoll die Leder vernäht sind und so fantasievoll-luxuriös die Zubehörpakete für Hundehalter, Jäger oder Angler sind, so altbacken ist das Infotainment: Weil Aston vom Kooperationspartner AMG die vorletzte Generation der Mercedes-Multimedia austragen muss, fehlen dem DBX die heute üblichen Touchscreens, es gibt keine Onlineanbindung, und der kleine Bildschirm wirkt wie aus einer Zeit, in der Telefone noch Tasten hatten – das können deutlich billigere Autos sehr viel besser. Und aus Grosskonzernen gespeiste Kleinserien-Konkurrenten wie Bentayga, Urus oder der Rolls-Royce Cullinan sowieso.
550 PS und neun Gänge von AMG
Der vier Liter grosse V8-Motor kommt einmal mehr vom Teilhaber AMG. Genauer aus dem AMG GT, leistet bei den Briten 550 PS und 700 Nm und veranstaltet einen Kraftakt, der kultiviert und kolossal zugleich ist: Von den gut 2,2 Tonnen völlig unbeeindruckt, mal flüsterleise und mal brüllend laut, katapultiert er den britannischen Brocken in 4,5 Sekunden auf Tempo 100 und stürmt danach munter weiter bis 291 Kilometer pro Stunde. Logisch, so ausgefahren wird der DBX wohl selbst von James Bond nicht.
Kombiniert mit einer ebenfalls von AMG gelieferten Neungang-Automatik, einer Luftfederung und einem halben Dutzend Fahrprogrammen wird der DBX trotzdem zum bislang vielseitigsten Modell von Aston Martin. Denn obwohl der Wagen schnell mal gut 2,5 Tonnen wiegt, kann man mit ihm überraschend flott über den Formel-1-Kurs von Silverstone fegen und dabei dem Allradantrieb zum Trotz sogar ein wenig driften, bevor einen die Elektronik wieder auf den Pfad der Tugend zurückführt. Und falls es einen dabei ins Kiesbett trägt, wechselt man einfach in den Offroad-Modus und sucht sich seinen eigenen Weg: Mit aufgebockten Luftfedern und mehr Freigang im Allrad wühlt sich der DBX nämlich überraschend tapfer durch den Dreck und scheut weder den Schlamm auf dem edlen Lack noch den Kies in den imposanten 22-Zoll-Felgen.
Aber zugegeben, weder das eine noch das andere wird zum bevorzugten Terrain der avisierten Kundschaft zählen. Sondern vor allem wird sich der DBX in der Stadt bewähren müssen, auf der Autobahn und der Landstrasse. Und auch dort macht er seine Sache gut: Denn das Auto ist für einen SUV dieser Grösse halbwegs übersichtlich und fährt so flott, wie man es von einem Aston Martin erwartet. Vor allem aber ist der DBX im richtigen Setup so komfortabel, dass nicht nur der Fahrer gut Lachen hat, sondern auch die Hinterbänkler nach Stunden noch entspannt aussteigen. Auch so kann man Grand Turismo definieren.
Natürlich lässt sich Aston den Ausflug auf die Buckelpiste teuer bezahlen, steigt beim Preis ganz selbstbewusst über dem Bentley Bentayga ein und kommt dem Urus überraschend nahe. Doch für die Kundschaft ist das Auto trotzdem ein gutes Geschäft. Schliesslich sparen sie sich damit den Range Rover und bekommen Sportwagen und Alltagsauto in einem. Thomas Geiger
James-Bond-Sonder-Edition
Aston Martin bietet von den Baureihen Vantage und DBS Superleggera ab sofort jeweils das Sondermodell «007 Edition» an. Anlass ist der bevorstehende Start des 25. James-Bond-Films «Keine Zeit zu sterben», in dem unter anderem vier Aston Martin zum Einsatz kommen.
Verantwortlich für die Sonderausstattungen ist die Abteilung «Q by Aston Martin». Im Fall des Vantage montieren die Individualisierungsspezialisten einen speziellen Gitterkühlergrill mit Chromeinfassung sowie einen Diffusor mit gelbem Streifen. Der Farbakzent soll an den Raketenwarnstreifen des Filmautos erinnern. Innen gibt es in Anspielung an Filmautos etwa ein in die Lenkradschaltwippen eingraviertes Fadenkreuz. Der DBS Superleggera «007 Edition» zeichnet sich durch eine Lackierung in Ceramic-Grau, Carbon-Anbauteile und exklusive 21-Zoll-Räder aus. Auch hier finden sich mehrere James-Bond-Referenzen innen und aussen. (red)