So praktisch die Mercedes B-Klasse auch sein mag, so spiessig und verstaubt ist sie auch. Zwar hat Mercedes dem Van beim Generationswechsel vor einem guten Jahr etwas mehr Pep ins Blech gepresst, doch Sexappeal hat das Auto dadurch noch immer keinen. Das haben sie jetzt auch in Stuttgart erkannt, und weil nicht nur Rentner und Jungfamilien immer mehr Platz fordern, haben sie die B-Klasse flugs auf Stelzen gehievt und positionieren den SUV jetzt als GLB mitten in die Familie ihrer Geländegänger. Grösser, geräumiger und noch variabler als die B-Klasse, aber mit dem Design des grossen Bruders GLS viel trendiger, kommt er zu Preisen ab 45 500 Franken in den Handel.Dritte Sitzreihe gut erreichbarWo sich die B-Klasse mit 4,42 Metern Länge und 2,73 Metern Radstand begnügt, gibts beim GLB für rund 8000 Franken Mehrpreis nicht nur die hippere Form, sondern auch ein neues Format: Der Abstand zwischen den Achsen wächst auf 2,83 Meter, und vom Bug bis zum Heck sind es 4,63 Meter. Das schafft zum ersten Mal in der Kompaktklasse von Mercedes Platz für eine dritte Sitzreihe und bringt den GLB damit auf Konkurrenzkurs zu Modellen wie dem Renault Scénic, dem VW Touran und dem BMW Zweier Grand Tourer – nur dass er mit seinem reinrassigen SUV-Design um Längen besser aussieht.
B wie brav und bieder, oder B wie das Beste aus zwei Welten? Auf den GLB, den neuen Kompakt-SUV von Mercedes, lohnt sich ein Blick – und erst recht ein zweiter.
Bei all dem Abenteuer-Look sind es aber vor allem alltägliche Fähigkeiten, auf die Mercedes Wert legt. Die Sitze in der dritten Reihe lassen sich deshalb mit einem Handgriff aus dem Wagenboden klappen. Und damit man diese beiden Plätze auch halbwegs komfortabel erreicht und zudem seine individuelle Balance zwischen Kniefreiheit und Kofferraum findet, lässt sich in der zweiten Reihe nicht nur die Lehne in acht Stufen neigen, sondern die gesamte Bank zudem um 14 Zentimeter nach vorn verschieben. Das ist nicht nur für den Einstieg nach ganz hinten praktisch, vielmehr ergibt sich so eine beeindruckende Kniefreiheit von über 30 Zentimetern, stellt man das Ganze wieder in die Ausgangsposition zurück. So reisen fünf Personen mit entsprechendem Gepäck locker und entspannt auch über grosse Distanzen.
Breite Motorenpalette
Das Ladevolumen erreicht Werte zwischen 570 und 1805 Litern – als einziger kompakter Mercedes schluckt der GLB entweder eine halbe Kindergartengruppe oder einen grossen Kühlschrank. Form und Format sind zwar neu und in diesem Segment einzigartig, doch sonst birgt der GLB keine grossen Überraschungen. Als jüngstes Kind auf der MFA-Plattform übernimmt er neben dem Multimediasystem MBUX im Cockpit auch die Wellness-Funktionen des Energizing-Comfort-Systems, ein vielfältiges Heer von Assistenten – und die bekannten Motoren.
Los geht es für die Diesel beim GLB 180d mit 116 PS, über dem der 150 PS starke GLB 200d oder der mit seinen 190 PS schon ziemlich souveräne GLB 220d rangieren. Dazu gibt es drei Benziner: den GLB 200 mit 163, den GLB 250 mit 224 und als ersten und einzigen AMG der Baureihe den GLB 35 mit 306 PS. Der kommt zwar erst im nächsten Frühling, macht aber unterm Strich eindeutig am meisten Spass.
Natürlich liegt das einerseits an den 82 Mehr-PS gegenüber dem GLB 250, aber auch am knackig abgestimmten und optional erhältlichen AMG-Ride-Control-Fahrwerk, den fünf Fahrprogrammen und der AMG-8-Gang-Automatik, die für hohen Schaltkomfort und eine beeindruckende Soundkulisse sorgt. Auch wenn man sich für den Sportler aus Affalterbach wohl gleich zwei Einsteiger-GLB leisten könnte (die Preise für die AMG-Version werden erst vor Weihnachten bekannt gegeben), vereint er das Beste aus zwei Welten und lässt den stylischen Family-Mover zum flotten Zwischendurch-Sportler werden, zum Beispiel dann, wenn Herr oder Frau Schweizer mal allein oder zumindest ohne den Nachwuchs unterwegs sein sollten.
Während der GLB 35, wie es sich für ein Auto aus Affalterbach gehört, zumindest 250Kilometer pro Stunde schafft, liegt das Spitzentempo sonst zwischen 188 und 236 Kilometer pro Stunde. Geschaltet wird immer mit einer Doppelkupplung mit sieben oder acht Gängen, und weil das G im Typenkürzel für Mercedes mehr ist als ein Buchstabe, gibts die allermeisten Versionen auch mit Allrad – an der Spitze jeder Fraktion sogar serienmässig.
Der EQB wird rein elektrisch
Obwohl man die Antriebe alle schon kennt, fühlt sich der GLB trotzdem ein bisschen anders an: Deutlich gediegener und erwachsener als etwa die A-Klasse, aber nicht ganz so brav und behäbig wie die B-Klasse, so haben die Schwaben bei der Abstimmung einen guten Kompromiss zwischen Familiensinn und Fahrspass gefunden. Nur so souverän wie der gar nicht so grosse Bruder GLC wirkt der GLB am Ende eben trotzdem nicht. Aber es muss ja einen Grund geben, weshalb man für den deutlich tiefer in die Tasche greifen soll, ohne wirklich mehr Auto zu bekommen.
Pfiffiger als die B-Klasse und praktischer als der GLC – mit der coolen Form und dem neuen Format hat der GLB das Zeug zum Bestseller in der Familie der kompakten Mercedes-Modelle. Und obwohl er auftritt wie ein SUV, muss man sich für ihn nicht einmal schämen. Denn mit Verbrauchswerten, die für die Diesel bei 4,9 und die Benziner bei 6,0 Litern beginnen, ist er nicht durstiger als jede andere Familienkutsche. Und wen trotz allem ein schlechtes Gewissen plagt, den bittet Mercedes noch um ein gutes Jahr Geduld: Denn dann wird aus dem GLB der EQB, und der fährt dann rein elektrisch. Thomas Geiger und Markus Cavelti